die wahrheit: Der gestiefelte Präsident
Nun hat der amerikanische Präsident George W. Bush seinen Platz in der Geschichte endlich sicher. Er wird ein ganzes Kapitel garantiert für sich alleine beanspruchen dürfen, ...
Nun hat der amerikanische Präsident George W. Bush seinen Platz in der Geschichte endlich sicher. Er wird ein ganzes Kapitel garantiert für sich alleine beanspruchen dürfen, nämlich als der erste "Befreier" in der Menschheitsgeschichte, der von seinen "Befreiten" mit Schuhen zum Abschied beworfen wird; und als der, der zwei hintereinander geworfenen Schuhen mit beachtlicher Beweglichkeit entkommen konnte. Das soll ihm sein Dad, Bush senior, erst einmal nachmachen.
Einem kann der scheidende Präsident aber nicht mehr entkommen: dem Urteil vieler Iraker über das, was er bis zuletzt als "Errungenschaft" anerkannt sehen wollte, den Irakkrieg. Das Bush-Abenteuer im Irak könnte nicht eindrucksvoller enden. Denn in der arabischen Kultur sind Schuhe das, was im Westen Eier und Tomaten sind, warum auch immer. Dem Wort "Schuh" kann man im Arabischen sogar einen kulinarischen Touch geben, etwa durch Ausdrücke wie "Ich werde dich meine Schuhe fressen lassen!", und das nicht etwa in einem Domina-Studio, sondern überall, als Beleidigung.
Jenseits kultureller Unterschiede zwischen dem wilden Westen und dem mit Schuhen um sich werfenden Osten wird der Angriff des irakischen Journalisten Muntaser al-Zubaidy auf den hohen Gast Konsequenzen haben. "Wenn es interessiert: Es war ein Schuh der Größe 10, den er auf mich geworfen hat", soll Bush gescherzt haben. Dass alle Iraker, die diese Schuhgröße (43) aufweisen und unter die vom (noch) mächtigsten Mann der Welt vorgegebene Rasterfahndung fallen, sich ab sofort mit einem "Fuß-Tuch" verhüllen werden, um zu entkommen, ist nur selbstverständlich. Denn nicht die Köpfe könnten ihre Besitzer künftig ins berüchtigte amerikanische Gefängnis Abu Ghraib bringen, sondern ihre Füße, und die gehören deshalb vollständig verhüllt, islamisches Recht hin oder her.
Menschen allerdings, deren Begabung in der Erkennung von Größen durch den Raum fliegender Schuhe liegt, gehören nicht unbedingt ins Weiße Haus, sondern eher in Fernsehsendungen wie "Wer wird getroffen?". Den Unterhaltungswert von Bush zeigen die in Lichtgeschwindigkeit durch das Internet kursierenden Reaktionen arabischer Leser und Zuschauer. Diese reichen von "Guten Appetit!" (die kulinarische Sicht) bis hin zum "Schade um die Schuhe" (die wirtschaftliche Sicht). Aber auch weibliches wie: "Ich habe einen schönen Schuh, den mir mein Verlobter geschenkt hat. Aber für Bush würde ich ihn opfern."
Nur ein Kommentar stellte die richtige Frage: "Was ist aus dem Journalisten geworden?" Im "demokratischen" Irak dürften wir einen fairen Prozess für den "Schuhterroristen" erwarten. Ein Gutachter könnte ihn vielleicht entlasten, indem er Schuhe in der arabischen Kultur für das erklärt, was geworfene BHs und Slips bei einem Popkonzert im Westen darstellen, nämlich eine Geste der Begeisterung. Doch, was wird aus uns arabischen Journalisten nach dem Schuhzwischenfall? Barack Obama ist unsere letzte Hoffnung. Bitte, Obama, bringen Sie Politik mit Einsicht in den Irak! Ansonsten wird man uns nur noch "unten ohne" zu Pressekonferenzen im Westen zulassen, ohne Schuhe, versteht sich.
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