die nachricht: Kein Tempolimit, aber eine neue Feinstaub-Kommission
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will in der EU für Dieselfahrer kämpfen – in Brüssel hingegen sieht man keinen Bedarf an einer Überprüfung der geltenden Grenzwerte
Das Neue
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will die Grenzwerte für Stickstoffdioxid beim nächsten EU-Verkehrsministerrat thematisieren. „Wenn Recht und Gesetz einzuhalten ist, muss auch der Grenzwert verifizierbar sein und nicht auf Willkür basieren“, sagte Scheuer am Montag in München. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hingegen betonte, bei der Frage der Grenzwerte gebe es keine „tatsächlich neuen Erkenntnisse“. Die Bundesregierung plant nun, die Wissenschaftsakademie Leopoldina mit einer Kommission zu „Feinstaub, Diesel, Lungenpathologie“ zu beauftragen. Ein Tempolimit auf Autobahnen will die Bundesregierung hingegen nicht einführen, sagte Regierungssprecher Seibert. Dies stehe nicht im Koalitionsvertrag.
Der Kontext
Bei den Themen Tempolimit und Stickstoff-Grenzwerte vermischen sich zwei Problemfälle im Verkehr: Die CO2-Emissionen des Sektors stagnieren seit Jahren; weil die Bundesregierung für 2019 ein Klimaschutzgesetz angekündigt hatte und auch der Verkehrsminister konkrete Vorschläge machen sollte, setzte er eine Kommission ein. Einer ihrer zahlreichen intern diskutierten Vorschläge war ein Tempolimit. Die Grenzwertedebatte schwelt, weil Deutschland ob seiner schlechten Luft in Innenstädten Ärger mit der EU hat. Mit den drohenden Dieselfahrverboten ist die Debatte über die Grenzwerte in deutschen Innenstädten neu entbrannt.
Die Reaktionen
„Herr Scheuer und die Große Koalition sollten den Anstand haben, klar zu sagen, dass die Getöteten für sie ein akzeptabler Blutzoll sind“, so Denis Petri, Initiator des Personenbündnisses für ein Mahnmal für die im Straßenverkehr Getöteten. In der Debatte über Stickstoffdioxid-Grenzwerte bat Barbara Hoffmann, Leiterin der Umweltepidemiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, zwischen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Grenzwerten des EU-Parlaments zu unterscheiden. Die WHO-Empfehlungen hätten eine medizinische Grundlage. Das Parlament beachte auch andere Kriterien, wie die technische Machbarkeit oder die Kosten eines Grenzwerts.
Die Konsequenz
Sosehr die Debatte in Berlin auch tobt – bei der EU in Brüssel zeichnet sich keine Änderung an den Grenzwerten für die Feinstaub-Belastung ab. „Nur weil ein deutscher Minister das fordert, werden wir nicht gleich unsere Regeln ändern“, heißt es in der EU-Kommission. Die Grenzwerte seien wissenschaftlich untermauert und stünden nicht zur Debatte. Statt sie zu lockern, sollten sich die EU-Staaten vielmehr um die Verbesserung der Luftqualität bemühen und neue Schutzmaßnahmen ergreifen, erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella. Anders ausgedrückt: Scheuer beißt in der EU-Kommission auf Granit. Auch im Verkehrsministerrat dürfte er es schwer haben. Das nächste Treffen ist erst Anfang März geplant, Feinstaub steht bisher nicht mal auf der Tagesordnung.
Eric Bonse, Heike Holdinghausen
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