piwik no script img

Unvereinbarkeitsbeschluss der UnionÜberholter Symmetriezwang

Gastkommentar von Claus Leggewie

Die Bedrohung durch die AfD ist einfach zu stark, um nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten – und die These dahinter war immer viel zu kurzsichtig.

Mitglieder der Partei Die Linke im Bundestag: Der Beschluss der CDU lässt sich wohl nicht länger aufrechterhalten Foto: Mike Schmidt/photowerkstatt/imago

I n der Not verbünden sich Konservative mit dem Teufel. In der deutschen Politik war das die Linke in verschiedenen Gestalten; die Zusammenarbeit zwischen Union und Linke war per Unvereinbarkeitsbeschluss ausgeschlossen. Erstmals gekippt wurde er in Thüringen, Anfang Mai auch bei der Kanzlerwahl im Bundestag, weil man die Stimmen der Linken für einen Geschäftsordnungsantrag benötigte. War ja nur eine Geschäftsordnungsangelegenheit? Wohl kaum. Denn die Zweidrittelmehrheit wird im Bundestag und in Landtagen künftig wahrscheinlich häufiger gebraucht, um die AfD abzublocken. Das verändert die politische Landschaft.

Zur DNA der Bundesrepublik gehört die symmetrische Ablehnung beider Extremismen. Aber: Die Asymmetrie der Bedrohung der Demokratie durch die Ultrarechte hat den Symbolwert des in alle Richtungen ausstrahlenden Antiextremismus verblassen lassen. Für aufrechte Rechte ist das ein Sündenfall. Der Symmetriezwang entstammt der kurzsichtigen These, „Weimar“ sei im Zusammenwirken von Nazis und Kommunisten zugrunde gegangen, auch wenn eher zutrifft, dass Hitler durch die Implosion der demokratischen Mitte an die Macht gekommen ist.

Dass Konservative an der Unvereinbarkeit festhalten, unterstützen Kommentare wie dieser aus der FAZ: „Schon seine (Merz’) Wahl signalisierte, dass er ‚links‘ immer neue Zugeständnisse macht, obwohl die Wähler sich immer weiter nach rechts orientiert haben. Offenbar hat die Hölle zwei Tore.“ Und wie entgeht man dem? Der Kommentator insinuiert, man müsse dann wohl auch mit der AfD kooperieren.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Mehr als eine punktuelle Aufhebung von Tabus dürfte mit den Grünen geboten sein, die mit der informellen Oberaufsicht über die Zweckbindung der Klimamilliarden schon einen Fuß in der Tür der Großen Koalition haben. Diese ist, wie sich beim ersten Scheitern der Kanzlerwahl gezeigt hat, ohnehin zu klein. Sie bedarf, auch wenn dies das große Tabu der Parteipolitik ist, einer flexibleren Mehrheitsbeschaffung nach Sachthemen als bisher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Das Foto oben bräuchte eher eine Text à la ‚Und die Linke sich so anbieder: „Och menno, Union, nun begegnet uns doch endlich auf äh, Augenhöhe - wir haben doch so viel gemeinsam!“ ‘

  • Der Unvereinbarkeitsbeschluss bzgl. Der Linken beruht vor allem auf einem falschen Verständnis von Demokratie. Und dieses falsche Verständnis ist dafür verantwortlich, dass in so vielen westlichen Demokratien die extreme Rechte einen solchen Aufstieg erlebt.

    Dieses falsche Verständnis geht davon aus, dass eine Partei, die die Wahlen gewinnt, das Recht hat, die Richtlinien der Politik gemäß ihrem eigenen Programm und damit entsprechend den Wünschen ihrer Wähler vorzugeben, eventuell etwas abgeändert durch die Wünsche eines oder mehrerer Koalitionspartner.

    Aber genau das führt dazu, dass immer weniger Wähler zufrieden sind mit der Politik, die von den Regierungen gemacht wird. Denn CDU und SPD sind gerade noch von 27% der Bevölkerung gewählt worden. (22,6 Mill Wähler von 84 Millionen). Wenn man Politik vor allem nur für diese 22,6 Millionen macht (und oft noch nicht einmal für die), dann ist es kein Wunder, dass immer mehr Menschen z.B die AfD wählen. Stattdessen müsste jede Regierung eine Politik für (fast) alle Menschen in Deutschland machen. Zumindest 70-80% der Bevölkerung müssten zufrieden sein.

    Sonst geht die Demokratie zugrunde.

  • Die Linke ist heute das was die SPD bis Gerhard Schröder einst war; die Sozialdemkratische Stimme unter den Parteien.

  • > Zur DNA der Bundesrepublik gehört die symmetrische Ablehnung beider Extremismen.

    Aber die Linke ist ja gerade *nicht* extremistisch. Sie mag radikal sein - selbst da kann man geteilter Meinung sein. Aber sie fordert, wenn dann, einen demokratischen Sozialismus. Sie bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Und sie arbeitet auch in der Praxis demokratisch.

    Dieses Narrativ, dass die Linke extremistisch sei, sollte man grundsätzlich ablehnen. Ich finde es schade, dass die taz es stattdessen einfach so übernimmt.

    • @Axel Wagner:

      Das heißt, die Punkte aus diesem Artikel sind überholt? (Ich halte Focus auch für konservativ bis reaktionär, aber eine sachliche Aufzählung ist ja keine tendentiöse Meinung).



      www.focus.de/magaz...rt_id_2414816.html



      -



      Auch wenn natürlich klar ist, dass die weitaus größere Gefahr für Demokratie (und gewaltfreies Zusammenleben) von ganz rechts ausgeht.

  • "Der Symmetriezwang entstammt der kurzsichtigen These, „Weimar“ sei im Zusammenwirken von Nazis und Kommunisten zugrunde gegangen, auch wenn eher zutrifft, dass Hitler durch die Implosion der demokratischen Mitte an die Macht gekommen ist."

    Bei den letzten demokratischen Wahlen der Weimarer Republik im Juli und im November 1933 erreichten NSDAP und KPD zusammen mehr als 50 Prozent der Sitze im Reichstag.



    Die KPD tanzte nach der Pfeifer ihrer Finanziers in Moskau, und angesichts der Blutbäder, die die dortigen Kommunisten schon angerichtet hatte, war es nachvollziehbar, daß der demokratischen Mitte die NSDAP als das kleinere Übel erschien.

    Wenn heutzutage an die Linke die gleichen Maßstäbe angelegt werden würden wie an die AfD, wäre dort ein Verbotsverfahren leichter zu erreichen.



    Im Vergleich zu ihrer radikalen Spitzenkandidatin Reichinnek ist Weidel eine gemäßigte Bürgerliche.

    • @Don Geraldo:

      Steile These, "gemäßigte Bürgerliche"...können Sie die auch mit irgendwelchen Argumenten unterfüttern?



      Reichinnek vertritt vielleicht sehr linke Positionen, aber ich sehe da keine Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung, und vor allem hat sie Argumente. Frau Weidel und die AfD hingegen polemisieren und lügen, stellen Behauptungen auf, die dann Grundlage ihrer Politik und Forderungen sind, die eben keine Fakten, sondern oft einfach unwahr sind. Sie hätten auch einfach deutlich sagen können, dass Sie die AfD toll finden, egal was sie Ihnen vorlügt. Weil Sie glauben wollen, was die sagen.

  • Der Unvereinbarkeitsbeschluss MUSS bestehen bleiben, weil nur so kann die Union der AfD Stimmen abnehmen. Wenn man jetzt einen Mitte/Links/Grün/SPD Einheitsbrei zusammen mischen möchte gibt man den ganzen Raum rechts der Mitte komplett auf. Außerdem ist eine Zusammenarbeit mit einer ein Thema Partei ( nehmt es den Reichen ) schlicht nicht möglich.

  • Es ist geradezu zynisch, Die Linke in die extremistische Ecke zu stellen und sie damit in gewisser Weise mit der AfD gleichzusetzen, die ja bekanntermaßen tatsächlich rechtsextremistisch, also verfassungs- und demokratiefeindlich ist. Der empörte Aufschrei sogenannter Konservativer ("Erhaltender"), wenn Die Linke davon spricht, den Kapitalismus überwinden zu wollen, ist entlarvend. Sie dann zu bezichtigen, sie wollten den Staat zerstören, zeigt deutlich was die gemässigten Rechten (nicht so extremen wie die der AfD) tatsächlich erhalten wollen. Eben den Kapitalismus, also die Ausbeutung der weniger mächtigen zugunsten des Reichtums der Mächtigen. Der Kapitalismus ist aber die tatsächliche Bedrohung für die Demokratie und damit ist Die Linke das genaue Gegenteil von demokratiefeindlich.

  • Es wäre für die Ost-CDU der Schierlingsbecher den Unvereinbarkeitsbeschluss fallen zu lassen. Viele Wähler hier würden dann endgültig zur AfD abwandern bzw. wären dann gegen ein Kooperationsverbot mit der AfD. Es wäre extrem kontraproduktiv die CDU zu mehr linker Politik zu zwingen, obwohl es hier vor Ort eine +80% Mehrheit konservativer Wähler von CDU und AfD gibt. Schon die letzten Kolaitionsverhandlungen hat hier keiner verstanden. Normalerweise hätte Merz mit Verweis auf die andere Option seine Bedingungen einfach durchdiktieren können. Das die CDU sich so vorführen lässt, trotz breiter Mehrheiten in der Bevölkerung für eine andere Politik ist doch inzwischen kaum noch nachvollziehbar.

  • Schon in den 1920ern wurden die Kommunisten deswegen so bedrohlich gezeichnet, um den Nazis den Weg zu ebnen.



    Damals waren es sogar an der Spitze sowjetbolschewistische Kommunisten.



    Heute sind die Linken doch mehrheitlich wohl ... Sozialdemokraten, die das Soziale und Internationale eben noch ernst nehmen.



    Die Personenfluktuation ist bekannt viel größer als bei den Blockparteien gewesen.

    Union, komm runter vom falschen Ross, bei aller deutlichen politischen Verschiedenheit.

  • Tödliches Spiel



    Wenn die CDU mit den Linken zusammen arbeitet, dann wird die CDU ihre konservativ/rechte Wählerschaft verlieren. An wen wohl?

    • @Hans Dampf:

      genau so ist es. Die CDU-Spitze und die Funktionäre hätten wenig Probleme, die wollen Macht und Pöstchen egal wie. Aber die Basis und die Wähler..



      Die CDU hat sich jetzt schon durch ihre indirekte Zusammenarbeit mit, und Beeinflussung durch Grüne und LInke desavouiert. Aber Merz scheint das nicht zu bemerken, Irgendwie kein Wunder, er reist durch die Welt und was in Deutschland passiert ist ihm anscheinend schlicht egal.