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die dritte meinungHongkongs Protestler nicht zu unterstützen zeigt, unser Gewissen ist käuflich, sagt Malenki Bischoff

Malenki Bischoff

ist Sinologe und freier Journalist und arbeitet in Peking. Er heißt eigentlich anders, möchte aus Sicherheitsgründen aber nicht, dass sein Namen hier abgedruckt wird.

Vergangene Woche diskutierte der Bundestag die Unterstützung der Freiheitsbewegung in Hongkong. Die Argumente waren fadenscheinig. Hongkong sei den Chinesen einst von der britischen Kolonialmacht abgepresst worden, und man sei froh, dass dieses Unrecht endlich vorüber sei, so Stefan Liebich (Linke). Wahr ist: Das Unrecht hat in Hongkong unter dem Griff Pekings gerade erst begonnen.

Statt auf die Gegenwart einzugehen, zitiert Liebich die „Hunnenrede“, mit der Kaiser Wilhelm eine Strafexpedition nach Peking schickte: „Pardon wird nicht gegeben.“ Was klingt wie Xi Jinping, der Abspaltern „die Knochen zu Staub zermahlenen“ will, soll aus dem Mund des Linken-Politikers nur bedeuten: Wir haben einst Schuld auf uns geladen und sollten nun den Mund halten. Frank Steffel (Union) fand, gewalttätige Proteste seien „zu unterbinden“. Dass die Eskalationsspirale erst begann, nachdem man statt auf Dialog auf Knüppel setzte, blendet er aus.

Tatsächlich liegt das große Hindernis wohl weder in der Gewalt noch in der Kolonialschuld, sondern in der Angst, den Wirtschaftspartner China zu vergraulen. Bemüht wurde auch die alte, nicht mehr haltbare Phrase vom „Wandel durch Handel“, der weiter fortgesetzt werden müsse.

Dabei sind in Wahrheit wir es, die sich unter der Abhängigkeit von China langsam zum Schlechten wandeln. Westliche Konzerne üben sich in Selbstzensur, Politiker lassen Freiheitsrechte lediglich noch in Worten an­klingen, und wenn immer mehr Menschen ­erkennen, dass „ewiges Wachstum“ ein ­fataler Irrglaube ist, müssten Politiker bei Pekings „Höher, schneller, weiter“ nicht mehr in Ehrfurcht erstarren. Ohne den Glauben an endloses ­Wachstum verliert auch China seine Macht.

Hongkongs Freiheitskampf ist deshalb auch unser Kampf. Wenn wir nicht für Hongkong einstehen, zeigen wir China einmal mehr, dass unser Gewissen käuflich ist, und akzeptieren, dass universelle Menschenrechte, genauso wie der Kommunismus in China, nur leere Worthülsen sind.

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