die dritte meinung: Die Juristenausbildung muss dringend reformiert werden, meint Sina Aaron Moslehi
Sina Aaron Moslehi
studiert Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Er ist Chefredakteur der studentischen juristischen Fachzeitschrift „Hamburger Rechtsnotizen“.
Nordrhein-Westfalen initiierte im Bundesrat das Vorhaben, die Regelstudienzeit des Studiengangs der Rechtswissenschaft auf zehn Semester zu erhöhen. Die Studierenden hätten dadurch ein Semester mehr Zeit, sich auf das erste Staatsexamen vorzubereiten. Die Bundesjustizministerin Katarina Barley begrüßte kurz darauf die Idee.
Das klingt zwar „gerecht“, um im Duktus der Ministerin zu bleiben, löst allerdings nicht das Problem. Der Studiengang ist im Hinblick auf die Stoffmenge notorisch überladen. Die politisch Verantwortlichen, allen voran die Justizministerinnen und –minister der Länder, haben keinen Blick für die erdrückende Stoffmenge.
Das führt bundesweit beispielsweise dazu, dass Studierende etwa zwölf bis achtzehn Monate vor ihrem ersten Staatsexamen kommerzielle Repetitorien besuchen müssen, um auf die Stofffülle für die Prüfung vorbereitet zu sein. Was sich nach Nachhilfeunterricht für privilegierten Nachwuchs aus finanzstarken Haushalten anhört, ist mittlerweile ein Muss für die Mehrzahl der Jurastudierenden.Die heute – oder immer noch – propagierte Vorstellung davon, wozu ein sogenannter „Volljurist“ in der Lage sein muss, geht vollkommen fehl: Volljurist sein kann nicht bedeuten, nahezu alles auf Anhieb wissen zu müssen.
Volljurist sein sollte vielmehr bedeuten, ein sicheres Gespür für die elementarsten Fragen der Rechtsgebiete zu besitzen und mit juristischem Handwerkszeug verschiedenste Lebenssachverhalte zu durchdringen in der Lage zu sein. Es ist ein Rätsel, weshalb diese Offenkundigkeit bislang ihren Weg nicht zu den für die Juristenausbildung politisch Verantwortlichen gefunden hat.
Man kann angehende Juristen natürlich weiterhin dazu geißeln, die nahezu unvorstellbare Stofffülle in sich reinzuprügeln, um sie dann nach den Examina wieder zu vergessen. Allerdings sollte man sich dann nicht zugleich über den Mangel an juristischem Nachwuchs beschweren und sich darüber im Klaren sein, dass ein zusätzliches Regelstudiensemester allenfalls eine Nebelkerze sein kann.
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