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das wird„Den Gutschein tauschen wir in Bargeld“

Das Bremer „Bündnis gegen rechts“ will mit der Aktion „Nein zur Schikanekarte“ Geflüchtete unterstützen

Interview Louisa Eck

taz: Hewan Yohannes, Bremen hat zum März die Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt. Was ist das Problem daran?

Hewan Yohannes: Wir sehen in ihr ein Kontroll-, Diskriminierungs- und Stigmatisierungsinstrument, das wir für menschenrechtswidrig halten. Und ihre Einführung basiert auf rassistischen und spekulativen Behauptungen über geflüchtete Menschen.

taz: Was meinen Sie mit spekulativ?

Yohannes:Die zentrale Behauptung, warum die Bezahlkarte – oder wie wir sie nennen, die Schikanekarte – eingeführt wurde, ist, dass geflüchtete Menschen das Geld ins Ausland überweisen würden. Das erweckt einerseits den Anschein, dass geflüchtete Menschen unendlich viel Geld zur Verfügung hätten – der Regelsatz liegt aber unterhalb des Existenzminimums. Hinzu gibt es keine klaren Fakten, die beweisen, dass das Geld ins Ausland geschickt wird. Das ist unbewiesen und unplausibel. Und selbst wenn dem so wäre: Eine solche Restriktion ist durch nichts legitimiert. Das ist reine Symbolpolitik, die überhaupt keine Probleme löst, die faktisch auch gar nicht existieren.

Aktion „Nein zur Schikane­karte!“: Di, 25. 3., 15–18 Uhr, und an jedem folgenden Dienstag, Gemeinde­zentrum Zion, Kornstraße 31, Bremen

taz: Die Politik sieht in der Karte eine Erleichterung für die Verwaltung. Sehen Sie auch etwas Positives in der Karte?

Yohannes: Wir sehen überhaupt nichts Positives. Was wir klar sehen, ist eine Bevormundung über Geld. Für uns gibt es keinen Grund, warum geflüchtete Menschen nicht frei und selbstbestimmt am Zahlungsverkehr teilnehmen können. Bremen schmückt sich mit vermeintlich liberaler Politik, weil geflüchtete Menschen im Land Bremen ja sogar 120 Euro Bargeld abheben dürfen. Diese Bargelddeckelung könnte aber jederzeit verändert werden. Und ein weiteres Problem ist, dass man ja nicht überall mit Karte zahlen kann – da ist die Deckelung also eine Einkaufsbeschränkung.

taz: Was genau ist bei der Umtauschaktion geplant?

Yohannes: Ein unkompliziertes Tauschen. Von der Schikane betroffene Personen können mit ihrer Bezahlkarte einen Supermarkt-Gutschein erwerben. Den Gutschein tauschen wir dann in Bargeld um. Dieses Bargeld kriegen wir durch Freiwillige, die es vorbeibringen und dafür einen Gutschein bekommen. In unserem Sprachgebrauch sind das die Cashis.

„Das Problem ist erst gelöst, wenn die Karte abgeschafft wird. Es gibt keine diskriminierungsfreie Umsetzung “

taz: Ähnliche Aktionen gibt es bereits in anderen Städten. Wie ist das dort angekommen?

Yohannes : Es gibt eine massive Anfrage. Ich glaube, in Hamburg werden jeden Monat 20.000 Euro umgetauscht. Der Bremer Senat denkt, dass das Angebot in Bremen nicht genutzt werden wird, weil die Deckelung von 120 Euro im ­Vergleich zu anderen Bundesländern hoch ist. Wir haben im Austausch mit Betroffenen in Bremen ganz andere Stimmen und Erfahrungswerte gesammelt. Wir gehen stark davon aus, dass die Nachfrage extrem hoch sein wird.

taz: Mit der Aktion könnten Betroffene bei Bedarf das gesamte Geld in bar bekommen. Ist das Problem der Bezahlkarte damit gelöst?

Foto: privat

Hewan Yohannes

28, ist Antira- Aktivist*in aus Bremen und engagiert sich bei der Aktion „Nein zur Schikane­karte!“ des „Bündnisses gegen rechts“ Bremen.

Yohannes: Das Problem ist nicht gelöst. Das ist eine Lücke, die temporär gefüllt werden kann. Das Problem ist erst gelöst, wenn die Karte abgeschafft wird. Es gibt keine diskriminierungsfreie Umsetzung, selbst wenn das Land die Möglichkeit gibt, den ganzen Satz in Bargeld auszuzahlen. Das ändert nichts daran, dass es ein kontrollierendes Instrument ist, weil die Behörde Einblick darin hat, für was das Geld ausgegeben wird.

taz: Was wäre die Lösung?

Yohannes: Die einzige Lösung ist die Abschaffung der Karte, das ist die klare Forderung. Dann können betroffene Menschen wie alle anderen frei und selbstbestimmt am Zahlungsverkehr teilnehmen.

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