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das portraitCDU-Landrat Werner Henning findet ein Bündnis mit den Linken okay

Foto: imago

Von dieser Seite hätte man Öffnungsappelle gegenüber der Thüringer Linken nicht erwartet. Werner Henning ist seit 1994 Landrat des Eichsfeldkreises, genau genommen schon seit 1990 Landrat des Kreises Heiligenstadt, bevor dieser mit Worbis fusionierte. Hier dominieren Biederkeit und Konservatismus, die katholische Kirche, „Eichsfelder Gehacktes“ vom Fleischer und folglich auch die CDU. Zur Landtagswahl gewannen ihre beiden Direktkandidaten zwar nicht mehr mit absoluter Mehrheit, aber immer noch souverän ihre Wahlkreise.

Und jetzt fällt ihnen ausgerechnet ihr Landrat in den Rücken, der hier wie der König vom Eichsfeld angesehen wird und bei den Kommunalwahlen im Vorjahr mit 82,5 Prozent zum vierten Mal wiedergewählt wurde? Spricht sich gegenüber MDR und Deutschlandfunk für Kooperationen, für „verlässliche Verträge“ seiner CDU mit der Linken im Sinne einer Stabilisierung Thüringens aus! Bescheinigt dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, ein Pragmatiker zu sein und „viel gelernt zu haben“!

Es ist derselbe Ramelow, der polternd 2009 das Eichsfeld als „Gazastreifen Thüringens“ bezeichnet hatte, dem Henning als guter Christ aber 2014 diese Äußerung verzieh. In der vergangenen Legislaturperiode hätte der Landrat noch einmal Grund gehabt, Ramelow und der rot-rot-grünen Koalition zu schmollen. Wie schon die CDU-geführte Landesregierung zuvor wollte sie bei der angestrebten Kreisreform das Eichsfeld mit dem benachbarten Hainich vereinigen. Landrat Henning setzte sich als Ureinwohner daraufhin wie schon 1990 für einen Zusammenschluss des thüringischen und niedersächsischen Eichsfeldes und damit für einen Übertritt nach Niedersachsen ein.

Nun also hört man von ihm eine Entdämonisierung der Linken und Appelle für ein vernünftiges Zusammengehen in einem derzeit unregierbar erscheinenden Land. CDU und eine Linke, die mit der alten SED überhaupt nicht mehr vergleichbar sei, lägen „am Ende in vielen Dingen gar nicht so weit auseinander“. Das ist eine Ketzerei gegen die einstimmige Absage von CDU-Landesvorstand und Landtagsfraktion an jegliche Annäherung. Weniger gegen Landes­chef Mike Mohring, der am Wahlabend bereits kryptische Andeutungen in ähnlicher Richtung machte, ob des Echos in seiner Partei aber auf die alte harte Linie zurückfiel.

„Ich würde niemals meine Gesinnung gegen einen Parteitagsbeschluss eintauschen“, lässt Werner Hennings Eichsfelder Sturheit erkennen. In seiner letzten Amtszeit kann sich der 63-Jährige diese erst recht leisten. Böswillig könnte man meinen, da käme vielleicht noch der alte „Blocki“ durch, denn der junge Henning trat schon als Abiturient der staatstreuen DDR-Blockpartei CDU bei. Er redete aber im Herbst 1989 auch auf Demonstrationen gegen das alte Regime. Und er ist als studierter Germanist und Kunstwissenschaftler ein Mann des aufgeklärten Geistes, promovierte über ein Lessing-Thema. Könnte sein, dass er nun zu einem der Pioniere völlig neuen Denkens in der dezimierten politischen Mitte avanciert.

Michael Bartsch

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