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das portraitDer Satiriker Schlecky Silberstein wird von rechten Trollen heimgesucht

Foto: privat

Es ist nicht das erste Mal, dass etwas von Christian Brandes viral geht. Dass es dieses Mal sein Klingelschild ist, war für ihn aber eine böse Überraschung. Dazu stand auf einmal die AfD vor seiner Tür. Aber der Reihe nach.

Der 1981 im niedersächsischen Vechta geborene Christian Brandes ist im Internet besser bekannt als Schlecky Silberstein. Unter diesem Namen schreibt er seit 2010 seinen gleichnamigen Blog – einen der erfolgreichsten im deutschsprachigen Raum. Das Texten lernte er bei der Werbeagentur Scholz & Friends, anschließend wurde er Autor für das „Neo Magazin Royale“. Er selbst beschreibt sich als „Comedyautor für die üblichen Verdächtigen der deutschen Unterhaltung“.

Das machte er offensichtlich so gut, dass seine Kunstfigur Schlecky Silberstein 2016 öffentlich-rechtlich wurde: Für das Jugendangebot von ARD und ZDF „Funk“ produziert er unter dem Titel „Bohemian Browser Ballett“ Videos mit mehr oder weniger politischem Blödsinn. Lustig macht er sich dabei über die Medien, Gentrifizierung, die AfD. Zielgruppe sind „junge Intellektuelle mit Humor“.

An manchen Zeitgenossen ist dieser Humor allerdings vorbeigegangen. Silbersteins aktuelles Satirevideo „Volksfest in Sachsen“, das auf die Geschehnisse in Chemnitz Bezug nimmt und einen alkoholisierten Mob, Hetzjagden auf Schwarze, Polizisten mit Deutschlandhütchen, aber auch sensationsgeile Bild-Reporter und Party-Gegendemonstranten parodiert, bezeichneten einige als böswillig inszenierte Fake News, um die AfD zu diskreditieren.

Diese reagierte auf die Satire umgehend mit einem Gegen-Video, in dem sich zwei AfD-Politiker über die „schlimmsten Klischees gegen die AfD“ echauffieren. Bis Dienstagnachmittag wurde es knapp 590.000 Mal geklickt. Dazu häufen sich unter dem Video Hasskommentare, in denen User dazu auffordern, die Macher des Videos zu suchen und zu identifizieren. Was der Berliner AfD-Abgeordnete Frank-Christian Hansel auch umsetzte. In einem Facebook-Video klingelt er bei Silbersteins Produktionsfirma, um ihn zur Rede zu stellen. Auch in dem Video zu sehen: Silbersteins Klingelschild und seine Adresse. Als der daraufhin eine antisemitische Morddrohung erhält, veröffentlicht er sie in seinem Blog – zusammen mit einem Text, der unter dem Titel „Ein Hauch von ’33“ auf die Gefahr hinweist, der Künstler und Medienschaffende immer mehr ausgesetzt seien.

Für diesen Text hat er viel mediale Aufmerksamkeit in eigener Sache bekommen. Seine Seite, genannt „Jogginghose für den Kopf“, verhandelt normalerweise Artikel über Internetphänomene in Kategorien von „Pubertäres“ bis „Politik“ und nennt das „beste Unterhaltung für Eliten“. Das meistgeklickte Video mit 39 Millionen Aufrufen heißt „Sex 2018“ und zeigt ein Paar, das beim Vorspiel Formulare ausfüllt. Von solchen Klickzahlen sind die AfD-Videos weit entfernt – in rechten Kreisen haben sie trotzdem reichlich Aufmerksamkeit bekommen. Ruhe wird Silberstein wenig haben, jetzt, wo seine Adresse bekannt ist. Sophie Spelsberg

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