das ja zur homoehe: Ende eines Kulturkampfes
Gigantisch, wunderbar, grandios: Kein Wort klingt zu pathetisch, um zu skizzieren, was das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Homoehe bedeutet. Noch vor knapp 50 Jahren beschied Karlsruhe Homosexuellen, die auf Entschädigung während des Nationalsozialismus geklagt hatten, sie hätten kein spezifisches Unrecht erlitten. Gestern brachen die Richter mit ihrem Urteil zur Legalisierung homosexueller Partnerschaften mit der fast missionshaften Privilegierung verschiedengeschlechtlicher Ehen. Doch die Entscheidung bedeutet mehr: Schon die Debatte (und deren gutes Ende gestern) hat zur Entstigmatisierung von Schwulen und Lesben beigetragen – und sie wird es weiter tun.
Kommentarvon JAN FEDDERSEN
Während die rot-grünen Koalitionäre, besonders deren grüne Teile, sich über dieses Urteil freuen können, steht die Union jetzt vor einem Dilemma. Einerseits muss sie die Fakten akzeptieren, schon um die umworbene liberale Wählerschaft nicht zu verprellen.
Andererseits hat sie ihre konservativ gesinnte Stammkundschaft zu bedienen. Am Ende kann der christlich inspirierte Aberglaube erzbischöflich-meisnerscher Provenienz nicht gewinnen. In einer säkulären Gesellschaft wie der deutschen sind religiös inspirierte Mentalitäten nie in der Mehrheit – schon gar nicht vor dem Bundesverfassungsgericht. Der grundgesetzlich geschützte Artikel 6 über Ehe und Familie bleibt erhalten. Über ihn hinaus kann es aber gesetzliche Regelungen geben, die auch andere Beziehungen schützen. Karlsruhe hat dies dem Gesetzgeber offen gehalten – und auch dieser Passus spricht für das lebensoffene Verständnis von Rechtsprechung über Verhältnisse, die privat zu sein haben. Und zwischen den Zeilen ist dem Urteil zu entnehmen, dass Heterosexualität keine besonders zu schützende sexuelle Orientierung mehr ist. Was nichts daran ändert, dass in der Gesellschaft noch jede Menge Aufklärung notwendig ist.
Die Union sollte nun ihre Klientel daran gewöhnen, dass die moralisch eingeschweißten Lebenswelten der Fünfzigerjahre nicht wieder zu haben sind, anstatt im Bundesrat die Verhandlungen über das Ergänzungsgesetz zur Homoehe zu blockieren.
Für Schwule und Lesben hat es sich gelohnt, nicht allein den Kampf um die schrillste Subkultur zu führen, sondern auch um die politische Mitte. Das Urteil stellt die höchstrichterliche Anerkennung ihres Rechts auf eine bürgerliche Lebensweise dar. Und das ist gut so.
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