piwik no script img

corona in bremen„Zu häufig gute Miene zum bösen Spiel“

Foto: privat

Friederike Lauschke, 28, Asta-Vorsitzende und Mitglied im Krisenstab der Hochschulefür Künste .

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Lauschke, wie soll ein digitaler Semesterbeginn an einer Kunsthochschule gehen?

Friederike Lauschke: Das geht eigentlich gar nicht. Einer Hochschule für Kunst und Musik zieht das den Boden unter den Füßen weg.

Warum?

Für ziemlich viele Sachen gibt es gerade keine vergleichbaren Alternativen. Leute aus der Musik etwa haben nicht immer die Möglichkeit, zu Hause zu üben, weil sie die Instrumente gar nicht selber besitzen. Auch die tägliche Arbeit in den Werkstätten und Ateliers kann nicht ins Digitale verlagert werden.

Wie sollte man also mit der Situation umgehen?

Wir sind in diese Situation ja alle irgendwie reingeworfen und nehmen die Herausforderungen der Instant-Digitalisierung, die gerade passiert, auch an. Aber vielleicht sollten wir nicht einfach versuchen, das „Business as usual“ einfach ins Netz zu verlegen, sondern einen Schritt zurücktreten und stattdessen den Bedürfnissen nachgehen, die Menschen jetzt haben. Für einige hat diese Zeit gerade katastrophale Auswirkungen, ökonomisch, psychisch und ihre Mobilität betreffend. Statt einfach so weiterzumachen, wie bisher, nur eben online, sollten wir eher der Frage nachgehen, wie wir diese Zeit einigermaßen gut verbringen und mit stundenlangem Sitzen am Computer nicht noch schlechter machen als sie sowieso ist. In der Öffentlichkeit wird gerade zu häufig gute Miene zum bösen Spiel gemacht.

Aber ist dieses Semester nicht eine Ausnahme?

Ich glaube, all diese Sachen, die jetzt gerade mit großer Eifrig­keit passieren, werden uns viel länger beschäftigen als ein Semester. In der vier Millionen-Euro-Förderung des Senats steckt ja in gewisser Hinsicht auch das Denken drin, dass man Inhalte eines Studiums auf Vorlesungen reduzieren könnte, die nun eben online stattfinden. Dabei wird übersehen, dass die Universität von Grund auf eine soziale Einrichtung ist. Das betrifft übrigens nicht nur die HfK, sondern auch Leute, die Laborversuche machen oder empirisch arbeiten und in ihrer Fachrichtung ganz besonders von dem sozialen Gefüge und der Infrastruktur der Universität abhängig sind. Das müssen wir in der Konzeption von Lehrformaten jetzt berücksichtigen. Wenn wir in diesem Semester außerdem zeigen, dass vieles möglich ist, obwohl es eigentlich nicht möglich sein kann, müssen wir auch daran denken, wo uns das in Zukunft vielleicht einschränkt, auch finanziell, wenn jetzt ausgeschüttetes Geld später vielleicht wieder eingespart werden muss.

In dem offenen Brief an das Rektorat der HfK begrüßt der Asta das Krisenmanagement der Hochschulleitung. Es geht nun also vor allem darum, wie das kommende Semester gestaltet wird?

Nicht nur wie, sondern auch was spielt dabei eine Rolle. Vielleicht ist jetzt gerade der Moment für etwas ganz anderes, vielleicht muss man ganz andere Sachen diskutieren. Was Digitalität, was Einsamkeit, was Gesundheit ist, etwa. Und wir müssen aufpassen, dass Leute auch finanziell nicht unter die Räder kommen. Für die, die kein Bafög bekommen und auch ihren Nebenjob nicht ausüben können, gibt es wenig Möglichkeiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen