blamiert: Bremens CDU will bei armen Kindern abkassieren
Es ist schon spektakulär unpopulär, was die CDU Bremen sich da auf die Fahnen schreibt: Man sollte an den Kindern sparen – an den armen Kindern. Für das Stadtticket, mit dem sie innerhalb von Bremen Bus und Bahn fahren können, zahlen Kinder aus Familien mit Sozialleistungsbezug aktuell kein Geld. Die CDU möchte das ändern und monatlich rund 30 Euro kassieren.
Das Sozialticket solle bitte zurück „auf das Niveau von 2020“, so die CDU – zurück, das klingt angenehm vertraut. Bis Ende 2020 zahlten Erwachsene für das Sozialticket 38,90 Euro, etwa vier Euro mehr als heute; vor allem aber Kinder wurden entlastet: Um ihnen mehr Teilhabe zu ermöglichen, wurde das Jugend-Stadtticket das damals 30,30 Euro kostete, ab 2021 kostenlos.
30,30 Euro: Das liegt sogar einen Tacken über dem, was ein normales Monatsticket für Schüler*innen heute kostet – und über dem, was der aktuelle Bürgergeld-Warenkorb für Jugendliche insgesamt an Mobilitätskosten vorsieht: 29,70 Euro. Eine Fahrradreparatur, eine Fahrt über die Stadtgrenzen hinaus, wären damit nicht mehr drin.
Komisch ist der Kontext, in dem die CDU die Forderung zum Sozialabbau platziert: Sie inszeniert sich nämlich eigentlich gerade als Vorkämpferin für die Armen. Vermutlich macht es wenig Spaß, sozialpolitische Sprecherin der CDU im rot-grün-roten Bremen zu sein; Sigrid Grönert jedenfalls nutzt den Anlass, den ihr die Landesregierung bietet, und geißelt in einer Pressemitteilung die neue „Senatskommission Sozialleistungen“, die eingerichtet wurde, um den stetig wachsenden Sozialhaushalt auf Einsparpotenziale abzuklopfen.
„Es ist absurd“, wird Grönert dort zitiert, „ausgerechnet in den sozialen Leistungen zu kürzen. Höhere Ausgaben lassen sich nicht auf den Durchschnitt anderer Städte senken, wenn die Not in Bremen überdurchschnittlich groß ist.“
Ganz verstanden hat die CDU wohl nicht, was der Senat da will mit seiner Kommission: „Gesetzlich vorgeschriebene Leistungen kann man nicht einfach wegstreichen“, besserwissert Grönert. Das hat auch niemand vor – es geht um die freiwilligen Leistungen des Stadtstaats, sofern und so weit sie in Bremen überdurchschnittlich hoch sind.
Der gerechtigkeitspolitische Höhenflug der CDU nimmt dann eine steile Parabelkurve nach unten und landet direkt in der Hölle: „Es ist höchste Zeit, Angebote zu evaluieren und sich von Maßnahmen zu verabschieden, die nichts bringen“, schreibt sie – und nennt vor allem das Sozialticket.
Wer nun denkt, die CDU habe sich vertan, irgendwas verwechselt, wie in der ganzen wirren Pressemitteilung, der muss nur ein paar Wochen zurückschauen: Schon Mitte Dezember hat die Fraktion das teure Kinder-Sozialticket, konkret mit der Summe 30,30 Euro, als „sozial gerecht“ eingefordert. Einen entsprechenden Antrag für die Bürgerschaft gibt es auch schon.
Sigrid Grönert, CDU-Fraktion Bremen
Das heutige Null-Euro-Stadtticket ist im norddeutschen Vergleich kein großer Luxus: In Oldenburg und Hannover fahren fast alle Schüler*innen umsonst durchs ganze Tarifgebiet. Wer als Schüler*in in Kiel Sozialleistungen bezieht, bekommt das Deutschlandticket geschenkt. Und dann Hamburg! Selbst Erwachsene mit Bürgergeld bekommen dort für 22,50 Euro ein Deutschland-Ticket. Und Hamburger Schüler*innen können allesamt, ob arm oder reich, für null Euro durch Deutschland fahren.
Apropos Hamburg: Dort ist auch die CDU interessiert an Popularität. Am Mittwoch hat sie in der Bürgerschaft ein ermäßigtes Deutschlandticket für Menschen ab 60 (inklusive Pfeffersäcken) gefordert – für 29 Euro. Etwas günstiger also als das, was arme Kinder für ihre Fahrt durch Bremen zahlen sollen.
Gut möglich übrigens, dass Bremen fürs Bus- und Bahnfahren bald wieder Geld von den Familien nimmt: Der Spardruck ist groß. Dass es ein CDU-Senat sein wird, der das dann umsetzt, scheint angesichts der ungeschickten Bremer Konservativen aber doch fraglich. Lotta Drügemöller
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