piwik no script img

Behinderung der Presse in NRWPolizeiwillkür muss Folgen haben

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Polizei hat bisweilen ein fragwürdiges Verständnis der Pressefreiheit. Das zeigt der Umgang beim Kohlekraftwerk Datteln IV.

Für Demonstranten ein Zurück in die Steinzeit: Kohlekaftwerk Datteln IV Foto: Guido Kirchner/dpa

E s ist ein bedenklicher Angriff auf die Pressefreiheit, der derzeit in Nordrhein-Westfalen zu beobachten ist: Weil sie im Februar von einer illegalen Protestaktion auf dem Gelände des neuen Kohlekraftwerks Datteln IV berichtet hatten, hat die Polizei Recklinghausen mehreren JournalistInnen Aufenthaltsverbote für die Straßen rund um das Gelände erteilt. Eine Berichterstattung über die Proteste gegen dessen Inbetriebnahme am Samstag wäre damit nicht möglich gewesen.

In ihrer Verbotsverfügung macht die Polizei keinerlei Unterschied zwischen den AktivistInnen, die das Kraftwerk besetzt haben, und den ReporterInnen, die natürlich nichts beschädigt oder blockiert, sondern lediglich die Proteste dokumentiert haben. Und es interessiert sie auch nicht, dass über den Vorwurf des Hausfriedensbruchs bisher kein Gericht entschieden hat.

Zudem zeigt die Polizei ein erstaunliches Verständnis von Journalismus: Im Schreiben heißt es allen Ernstes, es gebe für die betroffenen ReporterInnen keinen Grund, sich für ihre Berichterstattung dem Kraftwerk zu nähern. Informationen könnten schließlich auch bei der Pressestelle der Polizei eingeholt werden.

Dass man sich auf deren Auskünfte allein besser nicht verlassen sollte, demonstriert die Recklinghäuser Polizei dann freundlicherweise gleich selbst: Nachdem ein Gericht die Verbotsverfügung in einem Fall vorläufig außer Kraft gesetzt hat, behauptete sie, für journalistische Tätigkeiten hätte das Verbot ohnehin nicht gegolten – was eindeutig im Widerspruch zum Wortlaut der Verfügung stand.

Und dass Polizeibeamte dann ausgerechnet jenem Fotografen, der erfolgreich vor Gericht gezogen war, einen Platzverweis erteilten, war ein weiterer Beleg dafür, wie gering mache Polizisten die Pressefreiheit und die Entscheidungen der Justiz schätzen. Von Zuständen wie in den USA, wo die Polizei akkreditierte Journalisten gerade massenhaft attackiert, sind wir zwar glücklicherweise noch weit entfernt. Aber damit das so bleibt, muss jede polizeiliche Willkür gegenüber der Presse Konsequenzen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Zitat: „Von Zuständen wie in den USA [...] sind wir zwar glücklicherweise noch weit entfernt. Aber damit das so bleibt, muss jede polizeiliche Willkür gegenüber der Presse Konsequenzen haben.“

    Es gibt halt Menschen, die gern gleicher wären.

    Polizeiliche Willkür müsste immer und überall Konsequenzen haben. Und zwar negative. (Beförderungen wegen besonderer „Effizienz“ sind eher kontraproduktiv.) Hätte sie die, bedürfte „die Presse“ allerdings keines besonderen Schutzes. Es gäbe dann nämlich keine Skandale mehr. Das damit verbundene Berufsrisiko würde entfallen.

    Wenn Polizisten andere Menschen willkürlich behandeln, hat das meiner Erfahrung nach allerdings weniger mit den Anderen und ihren vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern zu tun, als vielmehr mit den Polizisten selbst. Es gibt schließlich ein staatliches Gewaltmonopol. Polizist*innen agieren auch ohne „Rückendeckung“ durch Vorgesetzte und Kolleg*innen aus einer Position der Stärke heraus. Wem das nicht genügt, wer zusätzlich dazu auch noch sein ganz persönliches (Faust-)Recht braucht, der/die hat für meine Begriffe einen Dachschaden und sollte schnellstens ausgemustert werden.

    Dass so viele Dienststellen offenbar entweder nicht bereit oder aber nicht imstande sind, Psychopathen umgehend auszusortieren, kann unmöglich ein Zufall sein. Es hat vermutlich eher damit zu tun, dass Gewalt und die entsprechenden Drohungen hierzulande immer noch Staatsräson sind.

    Das macht mich wütend, aber nicht so sehr, dass ich es nicht verstehe. Kaum eine Autorität wird dauerhaft respektiert. Wer seine Privilegien behalten will, obwohl er nicht täglich neu überzeugen kann, der muss anderen also drohen. Als Normal-Bürger darf man das nicht. Als Alpha-Tier schon. Und als Polizist offenbar auch.

    Eine Mehrheit aller Deutschen scheint daran nichts anstößiges zu finden. Wird schon seine Richtigkeit haben, denkt sie - so lange sie nicht selber vermeintlich unschuldig in eine unangenehme Situation gerät...

  • Spannend. Und auf alle Fälle muss geklärt werden, welche Befugnisse die Polizei tatsächlich hat. Pressefreiheit ist ein wirklich hohes Gut.

    Und gerade daher finde ich den folgenden Satz auch wichtig:

    "Bei den Protesten am Samstag durfte der Fotograf seiner Arbeit dann aber ungestört nachgehen – ebenso wie taz-Reporterin Anett Selle, gegen die die Polizei zuvor ebenfalls ein Aufenthaltsverbot verhängt hatte."







    Dieser ist im Artikel der Autorin vom 31.05.2020 unter taz.de/Neues-Stein...tteln-IV/!5689287/ zu finden.

    Und jetzt, wo wir wissen, dass Frau Selle ja dabei sein konnte, wäre es auch interessant, welche neuen Informationen uns hier dann noch erreichen, außer denen unter dem eingefügten Link, das wäre auch per Telefoninterview aus Timbuktu möglich gewesen.

    Und, ein Kohleausstieg wäre toll, aber mit den vielen überempfindlichen Windkraftgegnern werden wir demnächst noch ganz viele Kohlekraftwerke brauchen oder wir behalten einfach die AKWs. Und ob sich das jemand wünscht.....?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dass das Verhältnis Polizei und Recht keine Liebesbeziehung ist, zeigt sich dieser Tage an vielen Orten dieser Welt.

    Datteln ist offenbar überall ...

  • Müssen wir LeserInnen jetzt vermuten, dass nur die einfachen Polizeibeamten vor Ort und deren Einsatzleiter, in Unkenntnis von Grundgesetz und Presserecht, willkürlich die Arbeit der Journalisten be-/verhinderten? War keine Stellungnahme des NRW Innen- oder Justizministeriums zu erhalten?



    Es wäre unzweifelhaft pure Willkür, wenn dieses Vorgehen nur durch das Bauchgefühl von Recht und Gesetz in einer Dienststelle gedeckt wäre, und keine (oder entgegen einer) Anweisung von ihrem obersten Dienstherren erfolgte.

    Kommt noch was, oder wars das schon?

  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    >Von Zuständen wie in den USA, wo die Polizei akkreditierte Journalisten gerade massenhaft attackiert, sind wir zwar glücklicherweise noch weit entfernt.<



    sind wir das? ich meine mich daran erinnern zu können, dass an diesem , vergleichsweise friedlichem, ersten mai in berlin kreuzberg eine journalistin krankenhausreif geprügelt wurde, von der berliner polizei und ich meine mich zu erinnern, dass auch die taz einen bericht dazu hatte