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#ausnahmslos Die Vorfälle von Köln sind auch für die taz eine besondere journalistische HerausforderungLeserbefriedigung? Nö.

von Rieke Havertz

Rechte Hetze kommt nicht nur digital als Kommentar im Netz oder per Mail: „Hoffentlich hattet ihr auch einen guten Grabsch … äh Rutsch“, lag dieser Tage persönlich adressiert auf dem Schreibtisch. Dazu eine Zeichnung von „bösen, dunkelhäutigen“ Flüchtlingen, die von „naiven Flüchtlingshelfern“, die eine Narrenkappe tragen, mit Tomaten versorgt werden. Die werden auf einen Polizisten geworfen, der mit seinem Schild ein weinendes, blondes und natürlich weißes Mädchen schützt.

Seit dem Öffentlichwerden der sexuellen Übergriffe und Diebstähle in der Silvesternacht in Köln und Hamburg ist viel Sachliches, aber auch massenhaft Unsachliches geschrieben worden. Natürlich bewegt die taz das Thema nicht nur aus dem journalistischen Anspruch heraus, das beherrschende Thema in Deutschland nachrichtlich zu begleiten und einzuordnen. Auch in der Redaktion gibt es seit Anfang Januar lange Diskussionen darüber, wie mit den vielen Ebenen dieses Themas umgegangen werden muss – und wie auf die, so scheint es, weit verbreitete „Pegidaisierung“ in der Gesellschaft reagiert werden sollte.

Erstmals auf die Titelseite der taz wurde das Thema am 6. Januar gehoben. Berichtet wurde schon am Vortag, aber die Titelseiten-Diskussion hat stets besonderes Gewicht. Allen Beteiligten war klar, dass Köln die Seite eins gewidmet werden muss. Doch am Produktionstag lag vieles – wie übrigens auch heute noch – im Dunkeln. Was wissen wir gesichert? Welchem Klischee wollen wir auf keinen Fall erliegen? Und wie das alles in eine einzige Zeile zusammenfassen? Letztlich entschied sich die Redaktion für „Der Aufschrei“. Und griff damit den gleichlautenden Hashtag auf, der 2013 im Zuge einer Debatte um Sexismus entstand, die aus einem Text einer Journalistin über FDP-Politiker Rainer Brüderle resultierte. Der taz-Titel fasst zusammen, was unumstritten ist und bleibt: Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist nicht zu akzeptieren, nicht zu tolerieren, nicht zu relativieren. Aus #aufschrei hat sich in den sozialen Netzwerken seit den Übergriffen in Köln und Hamburg der Hashtag #ausnahmslos entwickelt. Es ist eine Kampagne von Feministinnen, die weiter reicht als beim „Aufschrei“, denn es geht es nicht nur um sexuelle Gewalt gegen Frauen, sondern auch um Rassismus.

Instrumentalisierungen

Denn viele PolitikerInnen fanden nach Köln die eilige Antwort, nun härter und schneller abzuschieben, weil unter den mutmaßlichen Tätern auch Migranten und Asylbewerber gewesen sein sollen. Die #ausnahmslos-Kampagne wehrt sich dagegen, dass die Forderungen nach besserem Schutz vor sexueller Gewalt nun instrumentalisiert werden, um rechtskonservative Vorstöße in der Flüchtlingspolitik zu propagieren.

Die Aufgabe von JournalistInnen ist es von jeher nicht, einfache Antworten als LeserInnenbefriedigung zu finden. Die kritische Auseinandersetzung mit allen Aspekte der Taten und ihrer Folgen ist ihre Aufgabe und dies findet sich seit dem 6. Januar vielfältig auf taz.de und in der taz wieder. Dazu gehört zuallererst die Recherche von Fakten. Opfer zu Wort kommen lassen. Sie nicht zu Mittätern werden zu lassen – Stichwort: „eine Armlänge“. Die Fakten über die Täter zu recherchieren. Die politische Debatte wiederzugeben und kritisch zu hinterfragen. Fragen nach der Rolle der Polizei zu stellen.

Es gibt nicht das eine Bild, auch wenn das unbequem sein mag. Und rechte Trolle im Netz, die die Artikel und Kommentare mit Schmähkritik und Hass überziehen, dürfen nicht davon abhalten, in dieser Debatte nicht nachzulassen, die uns als Gesellschaft und in ihr die Medien noch lange begleiten wird.

Rieke Havertz arbeitet als Ressortleiterin von taz.de

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