aufgetürmt: Olafs langes Vermächtnis
Jetzt schäumt sie wieder, die vaterstädtische Sekretdrüse. Ein „ELBhattan“ halluzinierte die örtliche Bild-Ausgabe, aber auch das hanseatisch-zurückgelehntere Abendblatt fand bereits, was kein Beifall ist, das muss sich als „Ätzen“ bezeichnen lassen: die Kritik nämlich, die in ungewohnter Eintracht die Bürgerschaftsfraktionen von Links- und Freidemokratenpartei an Hamburgs Hochhausplänen äußerten.
Seit dieser Woche also ist raus, was da für ein Bau entstehen soll an den so lange eher als Hinterteil der Stadt behandelten Elbbrücken. „Nach einem einphasigen und neun Monate dauernden Auswahlverfahren“, so heißt es, entschied sich die Jury für einen Entwurf des Berliner Büros David Chipperfield Architects: 233 Meter hoch, knapp 105.000 Quadratmeter Fläche, vor allem für in Hamburg stets dringend benötigte Büros, Preis (zu diesem Zeitpunkt): rund 700 Millionen Euro.
Eine andere derzeit oppositionelle Fraktion fühlte sich nun umso mehr bestätigt: Mit Michael Freytag war es ja ein CDU-Bausenator, der in den Nullerjahren New Yorker respektive Chicagoer Geschosszahlen errichtet sehen wollte – wenn auch nur in Harburg.
Weit weg also von Altona, der eigentlichen Keimzelle aller nichtreligiös himmelwärts strebenden Ambition: Das dortige Elbufer hätte, wäre es nach den Herren der frisch zur „Führerstadt“ beförderten Hansestadt gegangen, deren erstes Hochhaus schmücken sollen – sogar 250 Meter hoch. Für den von Hitler beauftragten Architekten Konstanty Gutschow war keine Bauform besser geeignet, das Hamburger Wesen zu repräsentieren als: das Hochhaus.
Immer wieder Hitler, denken Sie jetzt – wie öde? Das klären Sie gern mit denen, die dieser Tage wieder Strahlkraft und Mithalten-müssen-mit-New-York bemühen, wo von einem – zugegeben: ganz gelungen scheinenden – Gewerbebau zu reden wäre. Aber vielleicht erklärt sich dieser Schrei nach Größe auch einfach aus dem Schmerz ob einer angekündigten Trennung: Wenn Bürgermeister Olaf Scholz erst das SPD-Bundesfinanzministerium leitet, bleibt uns: Erinnerung, aufgetürmt, 233 Meter hoch. Alexander Diehl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen