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Überwachung beim ShoppenKuckuck! Hier oben!

In einigen Real-Supermärkten analysieren Kameras die Gesichter der Kunden in der Warteschlange. Und jetzt regen wir uns auf – oder was?

Patrick Müller-Sarmiento, Geschäftsführer von „real“, kann sich über die vielen Kundendaten freuen. (Archivbild 2016) Foto: dpa

Ein bisschen ärgerlich ist es schon. Man kann ja nirgendwohin mit seinem Gesicht, wenn man an der Supermarktkasse steht und eben auf einen Bildschirm guckt, der einen dann auch noch mit Werbung belatschert. In 40 Testsupermärkten der Kette „Real“ wird in dieser Zeit genau dieses Gesicht analysiert: Geschlecht, geschätztes Alter, Dauer des Starrens auf den Werbebildschirm – all das wird seit vergangenen Herbst erfasst. Um zielgruppenorientiertere Werbung anzuzeigen.

Berichte darüber plus die reflexhafte Kritik von Datenschützern haben offensichtlich ausreichend Gegenwind erzeugt, um die Unternehmenskommunikation von Real ein wenig nervös zu machen. „Real lässt Gesichter von Kunden analysieren“, betitelte Spiegel Online einen entsprechenden Bericht am Montagabend – eine Überschrift, die ein Real-Pressesprecher gegenüber der taz als „missverständlich“ bezeichnete: Neinnein, nicht Real selbst tue dies, man stelle einer Firma aus Augsburg lediglich die Möglichkeit zur Verfügung, eine Blickkontakterfassung von Werbebildschirmen im Kassenbereich zu testen. Automatisiert. Anonym. Verschlüsselte Übertragung. Kein Recht am eigenen Bild werde verletzt, keine personenbezogenen Daten erhoben. Die Kunden seien via eine gut sichtbare Hinweisbeschilderung „Dieser Markt wird videoüberwacht“ informiert.

Inwiefern es besser ist, wenn nicht der Real-Konzern selbst die Gesichter seiner Kunden analysiert, sondern er dies in seinen eigenen Läden einem dritten Konzern erlaubt, das weiß wohl nur die Unternehmenskommunikation selbst.

Nun ist Real nicht der erste Konzern, der seine Kunden mit einem derartigen Service beglückt: das Onlineportal heise.de berichtete bereits im April, dass auch die Deutsche Post derartige Technologie testet – in Partnershops, die nebenbei einen Postschalter betreiben.

Real ist nicht der erste Konzern, der seine Kunden mit einem solchen Service beglückt: Auch die Deutsche Post testet derartige Technologie

Auch hier sollen Kunden auf Basis von Gesichtsanalysen zu Geschlecht und Alter besser zugeschnittene Werbeclips vorgespielt bekommen. Was die Post davon hat? Laut heise.de teilt sie sich die Werbeeinnahmen mit dem Partnershop. Und der Kunde? Ja, äh … interessantere Werbung vielleicht?

Fast wie Nutzertracking

Die Logik hinter dieser Gesichtserkennung ähnelt ein wenig dem Nutzertracking, das bei der Onlinewerbung längst schon die entscheidende Währung ist. Google und andere Werbenetzwerke spielen Besuchern von Webseiten die Werbung aus, die ihnen als besonders zielgruppenrelevant erscheint – auf Basis aller Infos, die sie zuvor über Kunden gehamstert haben. Nur: Während Online-User fürs Stalking via Cookies und Co/Getracktwerden meist zumindest eine kostenlose Gegenleistung erhalten, wird Post- und Real-Kunden gar kein Vorteil mehr zuteil: sie werden einfach in aller Ruhe abgescannt, während sie Schlange stehen. Wem das nicht passt, der kann ja woanders Klopapier und Briefmarken kaufen.

Gesichtserkennung im öffentlichen Raum versuchen Innenpolitiker und Sicherheitsbehörden den Bürgern ja wenigstens noch mit dem Versprechen besserer Verbrechensbekämpfung und -aufklärung schmackhaft zu machen: Wenn wir nur wissen, wer alles so auf einem Bahnhof oder Flughafen herumläuft, können wir potenzelle Straftäter oder jene, die ein Algorithmus dafür hält, besser dingfest machen. Dass sich in diesem Zuge alle anderen auch nicht mehr unerkannt im öffentlichen Raum bewegen können – geschenkt. Gesichtserkennungs-Pilotversuche laufen längst: ab Herbst etwa am Berliner Bahnhof Südkreuz. Wie gut die entsprechende Technologie dafür bereits ist, weiß jeder, der auf seinem Smartphone schon mal Faces geswoppt oder den Bildschirm über biometrische Verfahren entsperrt hat.

Längst existieren Anwendungen, die am Gesichtsausdruck die Laune des Bildschirmguckers erkennen können. Beobachter wie die Internetsoziologin Zeynep Tufekci glauben, dadurch könnte es ökonomisch noch mal richtig interessant werden – indem man mitschneidet, wer so gut drauf ist, dass er noch ein paar Euro mehr für ein Produkt auf den Tisch legt. Was dann wahrscheinlich endgültig hieße, dass man sich ohne Hoodie und kameraverwirrendes Make-up nicht mal mehr in den Supermarkt trauen sollte.

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9 Kommentare

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  • Krass, also das war mir auch neu aber wundern tut's heutzutage auch nicht mehr :)

  • 7G
    76328 (Profil gelöscht)

    Vitamin-D-Mangel hin oder her ... ein Hoch auf die Burqu!

  • Hier, ich! Ich weiß, „inwiefern es besser ist, wenn nicht der Real-Konzern selbst die Gesichter seiner Kunden analysiert, sondern er dies in seinen eigenen Läden einem dritten Konzern erlaubt“.

     

    Real macht sein Geld vor allem mit Lebensmitteln und anderen Waren. Der Dritte nicht. Er will und muss davon leben, dass seine Spitzelei sich lohnt für den, der sie in Auftrag gibt. Das macht ihn angreifbar.

     

    Würden jene Kunden, deren Gesichter gescannt werden von den Kameras, entweder gelangweilt oder böse in die für teures Geld installierten Kameras blicken, oder würden sie demonstrativ das eine oder andere Produkt wieder ausräumen aus ihren Körben, das sie zuvor hinein geräumt haben, wäre der Spuk bald wieder vorbei - und zwar rascher, als wenn real ihn aus dem eigenen Umsatz jahrelang quersubventionieren könnte. Für die Information nämlich, dass Spitzelei keinen Nutzen hat, sondern den Umsatz reduziert, würde kazum jemand einen dritten bezahlen. Und für gar kein Geld kann der entschlossenste Spitzel nicht hauptberuflich spitzeln. Er will ja schließlich nicht nur spitzeln, sondern auch noch überleben.

     

    Nein, das Ärgerliche ist nicht, dass es Menschen gibt, deren Geschäftsmodell auf der Analyse von Nutzerdaten basiert. Das Ärgerliche ist, dass diese Menschen Erfolg haben mit ihrem Geschäftsmodell, weil die Mehrheit der Menschen sich nicht daran stört, sobald sie sich davon etwas verspricht. Der Mensch an sich wägt nämlich ab. Manchmal auch Glasperlen gegen Territorien.

     

    Ja, die meisten Kunden interessiert die Werbung, die man ihnen quasi auf den Leib geschneidert hat. Deswegen zahlen sie dafür mit ihrem mehr oder weniger attraktiven Gesicht. Darüber kann man sich gut öffentlich ärgern, wenn man für die taz schreibt. Aber nur, wenn man sich gleichzeitig selbstkritisch fragt, welches Geschäftsmodell eigentlich dem modernen Journalismus zugrunde liegt.

  • Da hilft nur noch einkaufen im Internet...

    • @Hartz:

      stimmt. Da ist man total anonym und wird überhaupt nicht überwacht. Das ist ja eh für uns alle noch Neuland.

  • Leider gilt wie so oft, auch hier: der Mensch ist dumm und vergesslich.

    Diese Meldung ist jetzt ein Aufreger und man windet sich gedanklich gegen diese Art der Überwachung, aber in zwei Wochen liest man nichts mehr darüber und dann ist es den allermeisten Kunden auch wieder total egal. "Ich kann es ja sowieso nicht ändern" wird dann wieder an der Tagesordnung sein.

    Die Unternehmen freut es, den Kunden juckt es nicht, bis zum nächsten Skandälchen, das wir dann auch wieder alle schnell vergessen.

  • Moin, im Endeffekt konsumieren wir uns doch nur selbst.

    Wie praktisch!

  • Fazit am Ende, das hängenbleibt:

    „dass man sich ohne Hoodie und kameraverwirrendes Make-up nicht mal mehr in den Supermarkt trauen sollte.“

    Ist den meisten wahrscheinlich zu aufwendig / abstrus und es efolgt keine Verhaltensänderung.

     

    Sinnvollere Schlussfolgerung, die früher im Text steht: „Wem das nicht passt, der kann ja woanders […] kaufen.“ Am besten gepaart mit eine Info an das betreffende Unternehmen, dass man dort aus diesem Grund nicht mehr einkauft sowie in seinem persönlichen Umfeld (aka sozialen Netzwerken).

    • @Heinrich Baum:

      Die Menschen sind nicht nur „dumm und vergesslich“. Sie wollen vor allem wahrgenommen werden. Notfalls von Kameras. Sie wollen wichtig sein für andere, deswegen wehren sie sich nicht gegen die Überwachung. Das hat mit Logik nichts zu tun, dafür aber um so mehr mit nicht reflektierten Gefühlen.

       

      Hätte ich Zeit, würde ich vielleicht mal einen Statistik anlegen. Ich würde zählen, wie viele taz-Artikel sich mit solchen Leuten befassen, die andere überwachen lassen - und wie viele aus der Perspektive derer berichten, die überwacht werden. Ich möchte wetten, dass ich jetzt schon weiß, wie die Statistik ausgeht.

       

      Das Bild über diesem Text, jedenfalls, scheint mir recht zu geben: Da ist kein Kunde drauf, sondern Patrick Müller-Sarmiento, Vorsitzender der Real-Geschäftsführung, der sich seine Hände reibt. Der Mann hat offensichtlich kein Problem damit, wenn jemand sein Gesicht erkennt. Sein Verhalten, jedenfalls, beeinflusst es nicht. Aber vielleicht lässt er sich ja vor dem Fotoshooting wenigstens ein ganz klein wenig stylen.