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Zwist zwischen DFB und neuem LigaverbandFragwürdiger Fortschritt im Frauenfußball

Über die Zukunft der Frauenliga entscheiden nicht mehr maßgeblich die Männer vom DFB, sondern die der Profiklubs. Was ist das für eine Emanzipation?

Darf mit aufs Gruppenbild: DFB-Präsident Bernd Neuendorf (r.) hat mir dem neuen Ligaverband erst einmal nichts zu tun Foto: Michael Brandt/dpa

A m Ende durfte DFB-Präsident Bernd Neuendorf nur als Gastredner auftreten. Und um einen nicht allzu unversöhnlichen Eindruck zu hinterlassen, ließ man ihn noch gnädig beim Gruppenfoto dabei sein. Welch verheerende Niederlage für den Dachverband.

Geplant war alles völlig anders. Gastgeber hätte Neuendorf eigentlich bei der Gründungsveranstaltung des eigenen Ligaverbands im deutschen Frauenfußball sein sollen. Der für seine Unbeweglichkeit verrufene DFB hätte sich in seinen eigenen vier Wänden als progressive Kraft inszenieren können, der maßgeblich dabei mithilft, den Fußball der Frauen auf ein anderes Level zu heben.

So wie man es die Woche zuvor getan hatte, als Deutschland den Zuschlag bekam, die Europameisterschaft 2029 austragen zu dürfen. Es soll das erste Frauenturnier werden, hatte der DFB zuvor hinausposaunt, das Gewinne abwirft. Der Fußball der Frauen gilt als Wachstumsmarkt, insbesondere in Imagefragen. Nach dem eigenen Selbstverständnis zählt der DFB wieder zu den Allerbesten.

Umso mehr muss den Verband nun das Gefühl des Ausgestoßenseins schmerzen. Mit der neu gegründeten FBL, so war der ursprüngliche Plan, wollte der DFB als gleichberechtigter Partner ein gemeinsames Unternehmen gründen. Die Erlöse für die 14 Erstligisten und FBL-Gründungsmitglieder sollten in die Höhe getrieben werden, um insbesondere den groß gewordenen Rückstand zur englischen Women’s Super League zu verkleinern.

Eine 100:700-Niederlage

Angesichts der Zahlen, die in der Nachbetrachtung des gescheiterten Bündnisses besondere Erwähnung finden, kann man nun von einer 100:700-Niederlage sprechen. Der DFB hatte nämlich mit großem Tamtam verkündet, für einen Zeitraum von acht Jahren 100 Millionen Euro in das Joint Venture zu investieren. Die Bosse der fast ausschließlich von Männerklubs quersubventionierten Frauen-Erstligistinnen rechneten dagegen, dass ihr Aufwand sich in der Zeit auf gut 700 Millionen Euro belaufen würde. Der Versuch des DFB, im letzten Moment die Entscheidungsmacht der Vereine beim Stimmrecht einzuschränken, sei deshalb unzumutbar und ein Trennungsgrund gewesen.

Das Misstrauen des DFB gegenüber den Vereinen, in denen die Interessen der Männerprofiabteilungen dominieren, ist durchaus berechtigt. Ihr Handeln ist rein marktorientiert und nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Obendrein droht immer wie zuletzt beim FC Barcelona die Gefahr, dass in Notlagen bei Männerprofiteam selbst die gut laufende Frauenabteilung sparen muss. Der Solidaritätsgedanke mit dem Amateurfußball, aus dem sie das Beste absahnen, ist sowieso nur rudimentär ausgebildet. Es gibt aus Sicht des DFB gute Gründe, Fehlentwicklungen des Männerfußballs nicht einfach zu reproduzieren.

Nur scheint dieser Zug längst abgefahren zu sein. Der DFB reklamiert Gestaltungsmacht, ohne eine inspirierende, mitreißende Vision entwickelt zu haben, in welche Richtung sich der Fußball der Frauen entwickeln soll.

In diesem gedanklichen Vakuum haben die Macher der Männerprofiklubs leichtes Spiel. Der DFB hat zudem völlig unterschätzt, wie eigenmächtig die Liga in den letzten Jahren geworden ist. Sie ist dem DFB-Gehege, wo sie jahrzehntelang mit Hilfe der Strahlkraft des Nationalteams bis zur Niedlichkeitsgröße aufgepäppelt wurde, längst entwachsen.

Über die Zukunft des Frauenklubfußballs hierzulande entscheidet nicht mehr der von Männern dominierte DFB, sondern es entscheiden die Bosse der Männerprofiklubs mit ihren angeschlossenen Frauenteams. Man kann spätestens seit dieser Woche sagen: Sie haben sich emanzipiert.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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