Zwischenbilanz der Klimakonferenz: 3 Stunden, 2 Worte, 1,5 Grad
In Kattowitz stehen sich zur Halbzeit verschiedene Interessen gegenüber. Ölländer und Skeptiker wehren sich gegen einen Bericht des Klimarats.
Ein Vorgeschmack auf die zweite Woche war die Debatte über den Bericht der UN-Klimarats IPCC zu 1,5 Grad. Die Delegierten redeten sich am Samstag fast drei Stunden lang um zwei Wörter die Köpfe heiß: Solle die Konferenz den Bericht „begrüßen“ (welcome) oder nur „zur Kenntnis nehmen“ (note)? Der Report war 2015 von der Konferenz in Auftrag gegeben worden und mahnt etwa, die CO2-Emissionen müssten für das 1,5-Grad-Ziel bis 2030 praktisch halbiert werden.
Diese Warnung wollten Saudi-Arabien, die USA, Russland und Kuwait nur zur Kenntnis nehmen – die anderen Staaten aber wehrten sich dagegen. „Es geht nicht nur um Wörter“, sagte die Delegierte Rueanna Haynes vom Inselstaat St. Kitts und Nevis, „es ist lächerlich, dass wir als Auftraggeber diesen Bericht nicht begrüßen sollen.“ Das Ergebnis: keine Einigung; das Thema wurde auf die nächste Konferenz vertagt. In anderen Debatten werden die 1,5 Grad aber in der nächsten Woche wiederauftauchen.
Ähnlich gespalten zeigten sich die Delegierten beim Versuch, in gemeinsamen Papieren zum „Regelbuch“ alle umstrittenen Fragen so zusammenzustellen, dass die Minister in der kommenden Woche schnell entscheiden können. Dabei geht es vor allem um Transparenz und Überprüfbarkeit bei Maßnahmen zum Klimaschutz, um Finanzen und um schärfere Ziele. Weil es zeitlich knapp wird, sollen nun Beamte und Minister parallel nach Lösungen suchen, technische und politische Gespräche also gleichzeitig laufen.
AktivistInnen wird die Einreise verweigert
Wie sehr die Zeit drängt, wollte wiederum eine überschaubare Gruppe von DemonstrantInnen klarmachen. Etwa 1.000 von ihnen zogen am Samstag bei der traditionellen Klimademo der Umweltverbände durch die Stadt – bewacht von einem Riesenaufgebot von Polizei in martialischer Kampfmontur und ausgerüstet mit Wasserwerfern. „Spannung lag in der Luft“, twitterte ein Teilnehmer – „was für ein Unterschied zur Demonstration vor einem Jahr in Bonn.“ Damals hatten Zehntausende friedlich vor dem Klimagipfel demonstriert.
Die polnischen Behörden setzten weiter auf Härte. Insgesamt zwölf AktivistInnen der Umweltbewegungen wurde zur Konferenz die Einreise nach Polen verweigert, beschwerte sich das Klimaaktions-Netzwerk CAN. Auch drei leitende Mitarbeiter der ukrainischen Umweltgruppe Ecoaktion, die als Partner der deutschen Verbände BUND und Germanwatch arbeiteten, seien an den Grenzen gestoppt worden, hieß es.
Heinz-Christian Strache, FPÖ
„Es ist inakzeptabel, dass Mitarbeiter von Umweltorganisationen von Sicherheitskräften festgehalten werden“, protestierte der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger. „Wir sind zutiefst besorgt, dass Menschen, die sich mit friedlichen Mitteln für den Schutz des Klimas einsetzen, kriminalisiert und ihrer Freiheitsrechte beraubt werden.“ Die Festgehaltenen arbeiten für den BUND an Projekten, um die Zivilgesellschaft zu stärken oder die Energieversorgung umzubauen, die vom deutschen Umwelt- und Entwicklungsministerium finanziert werden.
Polens Präsident lobt die Kohle
Rund um die Konferenz war in der ersten Woche auch an anderen Orten schlechte Stimmung gemacht worden. Der polnische Präsident Duda hatte sogar auf der Konferenz die Kohle gelobt; bei den Delegierten regt sich der Verdacht, dass die polnische Konferenzleitung mehr an drei unverbindlichen Erklärungen zum „gerechten Übergang“ der Kohleregionen, E-Mobilität und Wäldern interessiert ist als an einem Erfolg der Konferenz.
Dann hatte auch noch die Gewerkschaft Solidarność die Wissenschaft zum Klimawandel in Zweifel gezogen – und kein Geringerer als der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte ins gleiche Horn gestoßen: „Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage. Alles, was mit Treibhausgasen zu tun hat, wollen wir reduzieren. Die Frage ist, wie groß der Anteil ist, das zu beeinflussen“, sagte er im Interview mit dem Standard. Österreich ist immerhin derzeit EU-Ratsvorsitzender – und spricht damit auf der Konferenz für die gesamte EU.
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