: Zwischen Rentieren und Wohnungsnot
Die nordfinnische Stadt Rovaniemi boomt. Dem Weihnachtsmann sei dank. Doch für viele Einheimische wird dadurch der Wohnraum knapp und das Leben immer teurer. Ein Besuch vor Ort
Der Himmel hängt wolkenverhangen über Rovaniemi im Norden Finnlands. Es ist ein ruhiger Freitagmorgen Ende Oktober. An der kleinen Bushaltestelle hängt der Aushang beschlagen von Regentropfen. Ein grüner Bus rollt an, seine Fassade zieren Rentier-Illustrationen. „Geht es hier zum Dorf des Weihnachtsmanns?“, fragt ein älterer Mann aus Singapur auf Englisch, sichtlich nervös. „No“, sagt der junge finnische Busfahrer freundlich und fährt weiter.
Wohnungsmarkt In vielen europäischen Städten führt Massentourismus zur Verdrängung von Bewohner:innen. Wohnungen werden in Ferienapartments umgewandelt, Mieten steigen, langfristige Mietverträge verschwinden. Orte wie Barcelona, Lissabon, Florenz oder Salzburg reagieren bereits mit strengeren Regeln für Kurzzeitvermietungen, weil Teile ihrer Innenstädte für Einheimische kaum noch bewohnbar sind.
Stadtbild und soziale Struktur Innenstädte verändern ihre Funktion und werden zu konsumorientierten Kulissen. Lokale Geschäfte weichen Souvenirshops, Bars und Erlebnisangeboten. In Venedig, Dubrovnik oder Amsterdam sind ganze Stadtviertel fast ausschließlich auf Tourist:innen ausgerichtet. Die alltägliche Infrastruktur schrumpft, während die Stadt sich zunehmend wie ein Themenpark anfühlt.
Preise und Lebenshaltungskosten Mit steigendem Touristenaufkommen steigen auch die Preise für Essen, Dienstleistungen, Taxis und Freizeitangebote. In Island, Teilen Norwegens oder in Südtirol berichten Bewohner:innen von saisonalen Preisexplosionen, die den Alltag für Einheimische erheblich verteuern. Auch in kleineren Orten kann dieser Effekt ganze Regionen wirtschaftlich umkrempeln.
Politische Gegenmaßnahmen Viele Städte experimentieren inzwischen mit Touristensteuern, Besucherobergrenzen und strengeren Regeln für Airbnb. Beispiele reichen von Amsterdam über Lissabon bis Tromsø. Die Debatte, wie viel Tourismus eine Region verträgt, wird europaweit geführt – und sie gewinnt an Schärfe, je deutlicher die sozialen und ökologischen Folgen werden.
Mariel Tähtivaara, Jurastudentin
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen