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Zweite Radtote in Berlin 2021Und wieder ein Rechtsabbieger

Innerhalb von vier Tagen sind zwei Radfahrende von rechtsabbiegenden Lkw getötet worden. Dabei wären solche Unfälle leicht vermeidbar.

Viel zu viele stehen schon in Berlin rum: sogenannte Geisterräder erinnern an getötete Rad­le­r*in­nen Foto: dpa

Berlin taz | Statistiken können so trügerisch sein. Zweieinhalb Monate war das Jahr 2021 schon alt, ohne dass eine Rad­le­r*in im Berliner Verkehr sterben musste. So nah war die Stadt der Vision Zero, also einem Straßenverkehr ohne tödliche Unfälle, zumindest im Hinblick auf Radfahrende schon lange nicht mehr.

Doch dann starb am vergangenen Donnerstag in der Neuköllner Oderstraße eine 56-jährige Radfahrerin, nachdem sie gegen 8.50 Uhr von einem rechts abbiegenden Lastwagen erfasst wurde. Und am Montag kam die zweite Horrormeldung dieser Art innerhalb kurzer Zeit: In Weißensee wurde gegen halb zehn Uhr ein radfahrender Mensch getötet, weil ihn ein Sattelschlepper überfuhr – erneut beim Rechtsabbiegen, in diesem Fall an der Kreuzung Berliner Allee/Feldtmannstraße, wie die Polizei der taz mitteilte. Informationen zu Alter und Geschlecht gab es noch keine.

Klar ist aber: Zwei der bisher sechs Verkehrstoten in diesem Jahr sind RadlerInnen. Damit sieht die Statistik schon nicht mehr so gut aus wie noch vor einer Woche, aber (bisher) noch besser als 2020: Damals zählte der Berliner ADFC insgesamt 17 Radtote. Allerdings schwanken die Zahlen stark: 2019 verunglückten laut ADFC sechs Rad­le­r*in­nen im Straßenverkehr tödlich.

Und relativ klar ist, dass die beide jüngsten Todesfälle vermeidbar gewesen wären. Dass abbiegende Lastwagen die häufigste Ursache für tödliche endende Zusammenstöße mit Rad­fah­re­r*in­nen sind, ist seit langem bekannt, genauso wie die technischen Möglichkeiten, diese Zusammenstöße weitgehend zu verhindern. Die Hälfte der Berliner Radtoten im Jahr 2020 wurde von rechtsabbiegenden LKW oder – in einem Fall – von einem BVG-Bus erfasst, überrollt und erlitten dabei ihre letztlich tödlichen Verletzungen.

Schon seit Jahren fordern Rad­lob­by­is­t*in­nen deshalb einen verpflichtenden Abbiegeassistenten für Lastwagen, also ein technisches Warnsystem, das den Fah­re­r*in­nen meldet, wenn sich eine weitere Ver­kehrs­teil­neh­me­r*in neben dem Fahrzeug befindet. Trotz aller politischen Anstregnungen wird der Einbau aber EU-weit erst ab 2024 für neu zugelassene Lkws zur Pflicht.

Zudem lassen sich Ampelschaltungen so programmieren, dass geradeaus fahrende Rad­le­r*in­nen und rechts abbiegende Autos nicht gleichzeitig grün haben. An einer besonders berüchtigten Kreuzung am Alexanderplatz hat die Senatsverwaltung für Verkehr unter der grünen Senatorin Regine Günther das zuletzt – allerdings mit viel zeitlichem Vorlauf – geändert: An der Ecke Otto-Braun-Straße/Karl-Marx-Allee sind die Ampelphasen Ende 2020 getrennt worden.

Die Grünenfraktion forderte in einer Stellungnahme die für die Polizei zuständige Innenverwaltung von Senator Andreas Geisel (SPD) zu schärferen Kontrollen auf. Die Verwaltung müsse sicherzustellen, dass „die Polizei die Einhaltung der novellierten Straßenverkehrsordnung kontrolliert. Demnach dürfen Lkw beim Rechtsabbiegen innerorts nur Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn mit Rad- oder Fußverkehr zu rechnen ist.“

Miserable Infrastruktur

Auch am Ort des ersten tödlichen Radunfalls 2021 ist die Infrastuktur problematisch, wie der ADFC kritisiert. Die 56-Jährige war dort auf dem Gehweg unterwegs, der „früher ein 2-Richtungs-Radweg war und nach der Pflasterung noch so aussieht“. Als sie eine Straße überquerte, wurde sie von einem abbiegenden LKW-Fahrer offenbar nicht gesehen.

Der ersten Radtoten gedachten der Verein Changing Cities e. V. und der ADFC Berlin am Donnerstag mit einer Mahnwache, an der mehr als 100 Menschen teilnahmen, darunter auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). In seiner Gedenkrede warf der Vertreter von Changing Cities den „Verantwortlichen verantwortungsloses Nicht-Handeln“ vor und forderte damit eine Radverkehrsführung mit verbesserter Sicherheit.

Auch für die oder den zweiten Radtoten ist eine solche Mahnwache am Unfallort inzwischen angemeldet worden am heutigen Dienstag, 16 Uhr.

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13 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Was sagt diese grandiose Verkehrssenatorin? Was sagt RB Müller?

    Ein Abbiegeassistent für LKW muss zur Pflicht werden - kostet ca. 2000 €.



    Auch wenn das Bundessache ist, so können sich die o.g. Personen doch deutlich und lautstark dafür einsetzen, oder?

  • Ich beobachte leider immer wieder Radfahrer*innen, die bei Grün die Vorfahrt vor Rechtsabbiegern erzwingen, ohne den Kopf nach links zu drehen, und auch bei Rot draufhalten. Und in der Dunkelheit fahren leider viele Räder ohne Licht und sind somit für PKWs und LKWs nicht zu sehen. Verschlimmert wird das Ganze noch durch die parkenden Autos, die die Sicht auf die von hinten kommenden Räder versperren.

  • So ein Assistenzsystem ist sehr wünschenswert. Bis es soweit ist, kann man aber auch durch Einsatz des gesunden Menschenverstandes überleben: Wenn man links neben sich einen blinkenden LKW sieht, einfach schauen und warten, was der Fahrer macht. Genauso wie es eine überwältigende Mehrheit der Radfahrer tut. ~,~

    • @Fabian Wetzel:

      Klar, ich bleib wenn ich auf dem Vorfahrtstraßenradweg unterwegs bin, an jeder Kreuzung stehen. Können sich diese 2-5 % Ignoranten, die einem immer die Vorfahrt nehmen, nicht einfach an die Regeln halten wie die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer? Vorfahrt missachten mit Gefährdung wird mit 100,- Euro und einem Punkt viel zu mild bestraft. Und dann schauen die Polizisten bei sowas zu und sind zu faul dem Assi die potentiellen Konsequenzen seiner Handlung zu veranschaulichen.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Fabian Wetzel:

      Ich kenne zumindest eine Spedition, die schon vor einiger Zeit angefangen hat, dieses Gadget in die LKWs einzubauen - ganz ohne Zwang.

    • @Fabian Wetzel:

      Du kannst davon ausgehen, dass /genau/ das alle Opfer von Rechtsabbiegern vor ihrem Unfall auch gesagt und gedacht haben.



      Die Realtität ist aber ganz anders.



      Es trifft eben typischerweise NICHT die DraufgängerInnen oder "Kampfradler".



      Vielmehr ganz überwiegend Menschen, die sich im Verkehr sehr defensiv verhalten.



      Ursache ist das idiotische "Prinzip Radweg" durch das RadlerInnen gezwungen werden, sich RECHTS von rechtsabbiegenden Fahrzeugen aufzuhalten.

  • Auf keinen Fall darf das "Prinzip Radweg", durch welches geradeaus fahrende Fahrzeuge /rechts/ von /rechtsabbiegenden/ Fahrzeugen geführt werden, hinterfragt werden.



    mwohlauer.christof.../radwegprinzip.png

  • Mein aufrichtiges Beileid den Angehörigen.

    Ich möchte den LKW-Fahrer keinesfalls die Schuld absprechen.



    Aber als Vielradler (8000-10000km/Jahr) kann ich immer nur wieder den Rat geben :



    an JEDER Kreuzung vor dem überqueren den Kopf nach links drehen und den Verkehr links hinter sich beobachten. Und falls nur der Hauch einer Chance besteht, dass man nicht gesehen wurde > sofort anhalten und auf die Vorfahrt verzichten !!

    Das hat mir schon mehrfach Knochenbrüche oder gar den Tod erspart.

    Trotzdem muß natürlich das vorrangige Ziel sein die Kreuzungen zu entschärfen bzw. umzugestalten und die LKWs und Busse mit einem Warnsystem auszustatten.

    • @Dirk Weller:

      "falls nur der Hauch einer Chance besteht, dass man nicht gesehen wurde > sofort anhalten und auf die Vorfahrt verzichten !!"



      ---------------------------------



      Wenn der/ die RadlerIn dann schon neben dem LKW ist, ist es zu spät. Dann sind sie schon in der tödlichen Falle.



      Gerade Sattel-Auflieger-Züge müssen vor dem Abbiegen zunächst einen kleinen Bogen nach /links/ in die Gegenrichtung machen, daher sind die Opfer absolut sicher, dass der LKW eben /nicht/ nach rechts abbiegen will.



      Nein, Fahrräder sind Fahrzeuge und gehören als solche auf die Fahrbahnen. VOR oder HINTER LKW, aber niemals daneben.

      • @Wagenbär:

        "Gerade Sattel-Auflieger-Züge müssen vor dem Abbiegen zunächst einen kleinen Bogen nach /links/ in die Gegenrichtung machen"

        Da die wenigsten Radler das erste Mal auf einem Fahrrad sitzen, sollte denen dieses Abbiegeverhalten der LKW-Fahrer eigentlich bekannt sein. Diese Ausrede zieht da in der Regel nicht, Kinder ausgenommen.



        Und Fahrräder auf der Fahrbahn kann durchaus an einigen Strassen eine Lösung sein, zumindest für den routinierten Radler. Bei Kindern und Jugendlichen sieht die Sache schon ganz anders aus.



        Von mehrspurigen innerstädtischen Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen wollen wir gar nicht reden, denn an solchen Straßen muß ich täglich entlangfahren. Und dort bin ich froh über den vorhandenen Radweg.

    • 0G
      02881 (Profil gelöscht)
      @Dirk Weller:

      ...und auch den Kopf nach rechts drehen ob da nicht ein Kampfradler kommt (und rechts vorbeizischen will). DIE Situation hatte ich schon zweimal und hätte beides mal schlimm ausgehen können.

  • 16:00 Uhr Fahrrad-Demonstration ab Möckernstr. 47



    17:30 Uhr Mahnwache Berliner Allee/Feldtmannstr.



    anschließend zum Bundesverkehrsministerium

    • @Hans Hagedorn:

      am Dienstag, 23. März