Zwei Jahre nach Germanwings-Absturz: Schwere Vorwürfe gegen Ermittler
Der Vater des Absturz-Piloten Lubitz bezweifelt die Schuld seines Sohnes. Ein Gutachter sieht dramatische Mängel bei den Ermittlungen.
Lubitz stellt ein Gutachten vor, das er bei dem Luftfahrt-Journalisten Tim van Beveren vor gut einem Jahr in Auftrag gegeben hat. Es soll seine Zweifel an der Schuld seines Sohnes bestätigen.
Die Ermittlungen ergaben damals, dass Lubitz den Piloten aus dem Cockpit ausgeperrt und den Sinkflug eingeleitet hatte. Van Beveren wies aber darauf hin, dass Lubitz die Tür nicht aktiv verschließen musste. Sie sei versperrt, sobald sie ins Schloss fällt. Ob das Zahlenfeld, durch das der Pilot von außen die Tür hätte öffnen können, einen technischen Defekt hatte, sei nicht untersucht worden, so van Beveren.
Laut dem Voicerecorder hörte man Lubitz im Cockpit regelmäßig atmen. Daraus sei aber nicht abzuleiten, dass Lubitz bei Bewusstsein war, meinte der Gutachter. Van Beveren kritisiert die deutschen Ermittlungsbehörden, die zur Abhörung des Sprachrekorders keine „Human Faktor“-Spezialisten, die psychologisch geschult sind, hinzugezogen hatten. Lediglich Ingenieure hätten die Aufzeichnung gehört.
Lubitz hätte das Bewusstsein verloren
Weiterhin bemängelt van Beveren die „nicht konsistenten Daten“ des Flugschreibers. Es sei zwar der Sinkflug eingeleitet worden, aber dazu müsse der Modus des Autopiloten von „Descend“ auf „open Descend“ gestellt werden. Aus den Daten des Flugschreibers gehe aber hervor, dass beide Modi gleichzeitig aktiv gewesen seien. Das sei technisch nicht möglich, so van Beveren.
Van Beveren verfolgte aber nicht eindeutig die These, Lubitz hätte das Bewusstsein verloren. Denn er versuchte auch eine bewusste Änderung der Flughöhe durch Lubitz zu begründen. Für den Sinkflug habe Grund bestanden, da aus der Wetterkarte von diesem Tag hervorgehe, dass es vor dem Bergmassiv Luftlöcher gegeben habe, so van Beveren.
Lubitz' Pressekonferenz begann am Freitag fast auf die Minute genau zwei Jahre nach dem Absturz des Airbus in den französischen Alpen. Angehörige hatten dies als „unverantwortlich“ bezeichnet. Günther Lubitz, der unruhig und eingeschüchtert wirkte, begründete den Termin mit dem Wunsch „Gehör“ zu finden. Er habe eine spezielle Trauer, da er und seine Familie nicht nur damit leben müssten, ihren Sohn und Bruder verloren zu haben, sondern auch dass dieser von den Medien als „dauerdepressiver Massenmörder“ hingestellt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos