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Zwangsversteigerung einer WerftUnterm Hammer

Die Stadt Hamburg sticht Mitbieter um die insolvente Sietas-Werft für etwas über 20 Millionen Euro aus. Szenen einer Insolvenzversteigerung.

2021 war hier endgültig Schluss: Gelände der ehemaligen Traditionswerft Pellas Sietas Foto: Netbid/dpa

Eine Zwangsversteigerung ist, vor allem dann, wenn es um große Objekte wie eine Werft geht, nicht unbedingt eine nette Veranstaltung. Es ist eine Welt, in der junge Anzugträger auf die Frage, wer sie sind, höflich antworten: „Das möchte ich Ihnen nicht sagen.“ Und sich dann weiter ihrem Gespräch zuwenden.

In dem engen Raum des Amtsgerichts Harburg, in dem die Zwangsversteigerung in diesem Fall stattfindet, quetschen sich ein Kamerateam des NDR und weitere Journalisten hinein, aber eben auch Repräsentanten der Gläubiger, und das sind in diesem Fall ganz schön viele.

Die Sietas-Werft, an der Mündung der Este in Neuenfelde im Alten Land gelegen, musste schon vor Jahren endgültig Insolvenz anmelden, nachdem man dort auch nach dem Einstieg der St. Petersburger Pellas-Werft das Ruder nicht mehr herumreißen konnte. Der Containerschiffbau steckte in der Krise, und so versuchten sie es auf der Werft mit Spezialschiffen.

Zu erkennen gaben sich die Vertreter der Stadt Hamburg, die ganz vorn beim Rechtspfleger saßen

2021 war dann endgültig Schluss, 2022 wurden bei einer Online-Auktion die beweglichen Dinge – Fahrräder, Autos, Schreibmaschinen, Bürostühle – verkauft und auch, sehr viel größer, vier riesige Portalkräne, die eigentlich denkmalgeschützt sein sollten. Das Denkmalschutzamt hatte sich aber zu viel Zeit gelassen.

Auch ein 180 Meter langes Schwimmdock fand einen Käufer, eine Werft in Flensburg. Trotz dieser Auktion blieben riesige Schulden auf der Werft liegen, denn die bestellten Schiffe waren nicht geliefert, also auch nicht bezahlt worden, die Werft hatte dafür aber schon Bestellungen getätigt.

Wettrennen der Bieter

Es gibt also Gläubiger genug, zu denen auch die russische Sberbank gehört – damit das Geld nicht dorthin fließt, war die Zwangsversteigerung überhaupt nötig geworden. Die Sberbank steht auf der Liste der russischen Finanzinstitute, gegen die wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine Sanktionen erlassen worden sind.

Wer jetzt in Raum genau wer war, war nicht ganz leicht zu erraten. Zu erkennen gaben sich die Vertreter der Stadt Hamburg, die ganz vorn beim Rechtspfleger saßen, der Insolvenzverwalter war da, und ganz hinten in der letzten Reihe zwei jüngere Männer aus Wien, einer mit Pelzkragen, den er später im Saal abgelegt hatte, und österreichischem Akzent.

Sie lieferten sich mit den Hamburg-Vertretern ein Bieterwettrennen: Bei jedem Angebot der Österreicher legte die Stadt Hamburg noch einmal 10.000 drauf, bis die Werft, deren Verkehrswert auf 25,8 Millionen Euro geschätzt worden war, für 20 Millionen plus 10.000 Euro an die Stadt Hamburg ging. „Ein Großteil des Werftgeländes soll im Erbbaurecht vergeben und künftig als Industriefläche genutzt werde“, teilte die Stadt später mit.

Mit dem Bentley vorgefahren

Von den weiteren Interessenten wie Airbus oder der Reederei Laeisz, deren Namen im Vorfeld kursierten, war beim Amtsgericht Harburg nichts zu sehen. Dafür stand neben der Tür ein Mann, der die goldenen Knöpfe seines blauen Anzugs zu sprengen drohte, neben einem Begleiter in knallorangenem Anorak.

In einem Raum voller Business-Garnituren, in dem Assistentinnen Rollkoffer herumschoben, fielen die beiden auf. „Ich glaube, die sind mit einem Bentley vorgefahren“, sagte ein Zuschauer. Später kam ein Dritter in den Saal, mit Sonnenbrille im Haar, und trat nach vorn, um sich zu legitimieren. Zum Mitbieten fehlte eine Unterschrift, doch er stellte Anträge, die Sitzung musste unterbrochen werden.

Die Anträge seien nicht zulässig, stellte der Vertreter des Amtsgerichts fest. Es folgte ein hitziger Wortwechsel: „Sie ignorieren meinen Antrag!“ – „Jetzt rede ich!“ Später fuhr vor dem Gericht tatsächlich ein Bentley vor.

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