piwik no script img

Zwangsräumungen in OstjerusalemEinmal Reset-Taste, bitte

Kommentar von Susanne Knaul

Der Streit um palästinensische Häuser muss endlich beigelegt werden. Wiedergutmachungszahlungen für beide Seiten wären ein Weg.

Das Haus der palästinensischen Familie in Ost-Jerusalem soll geräumt werden, um eine Schule zu bauen Foto: Ilia Yefimovich/dpa

D er Streit um Haus- und Grundstückseigentum in Ostjerusalem ist ein Dauerthema mit Eskalationspotential, das ein für alle Mal vom Tisch gehört. Ein Blick zurück auf den Krieg im vergangenen Frühjahr reicht, um zu sehen, wie massiv sich der Unmut Luft machen kann.

Erneut droht einer Großfamilie die Zwangsräumung ihres Hauses, das in diesem Fall für den Bau einer Sonderschule herhalten soll. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um Immobilien, die bis zum Unabhängigkeitskrieg 1948 jüdische EigentümerInnen hatten, dann unter jordanische Kontrolle fielen und schließlich von den jordanischen Behörden an PalästinenserInnen veräußert wurden.

Diese Häuser werden in der Regel nicht von den früheren EigentümerInnen oder ihren Nachkommen zurückgefordert, sondern von Siedlerorganisationen, die offen eine Judaisierung des palästinensischen Ostjerusalems vorantreiben wollen, sprich: die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Es sind keine NachbarInnen mit friedlichen Absichten, sondern sie kommen bewaffnet und mit Wachpersonal. Die Vermischung der zwei verfeindeten Völker in der so sehr umstrittenen Stadt ist Gift für eine friedliche Koexistenz. Dafür wären zumindest vorläufig Trennung und Abstand nötig, so wie es einst Israels Regierungschef Jitzhak Rabin und der frühere PLO-Chef Jassir Arafat vereinbarten.

Vergleichbar mit den in Ostjerusalem herrschenden Verhältnissen ist die Lage in Jaffa oder in Haifa und Beerschewa – überall dort nämlich, wo AraberInnen 1948 fliehen und ihre Häuser zurücklassen mussten. An die früheren EigentümerInnen verschwendet in Israel niemand auch nur einen Gedanken, denn ein Rückkehrrecht für die Flüchtlinge wird es niemals geben. Was es allerdings geben sollte, ist eine Wiedergutmachungszahlung – für die palästinensischen Flüchtlinge wie für die jüdischen.

Dazu bräuchte es nicht zwingend ein Friedensabkommen. Einmal auf die Reset-Taste drücken: Es müssen endlich klare Verhältnisse geschaffen werden, wenn niemand mehr um sein Zuhause fürchten muss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Es wäre nur gerecht und weise, wenn die israelische Regierung endlich die gesetzlichen Grundlagen schaffen würde, um ehemalige Hausbesitzer bzw. deren Nachkommen zu entschädigen, die ihr Eigentum infolge der Auseinandersetzungen von 1948 verloren haben … und zwar unabhängig davon, ob es sich um jüdische oder arabische Vorbesitzer handelt.



    Wenn Israel ein demokratischer Rechtsstaat ist, darf es keine Zwangsräumungen der von Palästinensern bewohnten Häuser in Ostjerusalem geben, die sich seinerzeit auf die Zusagen der jordanischen Behörden verlassen haben … die Räumungen wären zutiefst ungerecht und würden erneut die Lunte an das israelisch-palaestinensische Pulverfass legen, was sich wirklich niemand in Israel wünschen sollte … bis auf die radikalen rechtsextremen Siedlerorganisationen auf der einen und Hamas auf der anderen Seite.



    Zivilgesellschaft, Justiz und Staat in Israel könnten zumindest in diesem Bereich dafür sorgen, dass sich extremistische jüdische Gruppierungen nicht durchsetzen können, die die gesamte Gesellschaft in Geiselhaft ihrer kruden Ideologie nehmen wollen und dabei nur Hass und Gewalt säen.



    Was radikale jüdische Siedler fordern - nämlich die Säuberung ehemals jüdischer Wohngebiete von palaestinensischen “Elementen” in Ostjerusalem - hat nichts mehr mit dem zionistischen Gründergeist eines David Ben-Gurion zu tun.

    • @Abdurchdiemitte:

      Stimme 100% mit Ihnen zu und auch mit dem Grundtenor des Artikels.

      Eine Kritik am Artikel habe ich jedoch: Ich denke, die Hauptsache ist es nicht, "Distanz" zwischen jüdischen Israelis und Palästinensern in Ostjerusalem herzustellen - also die Wohnviertel beider "Gruppen" strikt zu trennen. Das Problem ist vielmehr das Leid, das bei jeder dieser Räumungen entsteht, sowie die symbolische Aufladung. Beides wird von radikalen Organisationen auf beiden Seiten ausgenutzt, um das Feuer anzufachen. Was letztendlich nur ihren Führern nutzt, dem Rest der Bewohner der ganzen Region Israel/Palästina nicht.

      • @argie:

        Nach internationalem Recht hat Israel überhaupt kein Recht dazu in Ostjerusalem zu bauen, zu sprengen, zu enteignen... das ist das andere Problem und das nächste ist, dass die sogenannte internationale Gemeinschaft nur zuschaut und ihre „Sorge“ ausdrückt und ab und zu mal mahnt. Damit kann Israel prima leben und weiter enteignen, sprengen und bauen.

  • 8G
    83635 (Profil gelöscht)

    Evtl. sollte man Israel daran erinnern dass viele Israelis auch Restitution beansprucht und rechtens auch erhalten haben!?



    M.