Zwangsarbeiter-Klagen zulässig: Deutsche Vermögen in Italien bedroht
Die Klagen italienischer Ex-Zwangsarbeiter wurden für zulässig erklärt und deutsches Staatseigentum in Italien könnte gepfändet werden. Doch Entschädigungen sind unwahrscheinlich.
ROM taz Mit einem aufsehenerregenden Urteil hat das Kassationsgericht, Italiens höchstes Gericht, die Klagen früherer italienischer Zwangsarbeiter gegen die Bundesrepublik Deutschland für zulässig erklärt. Auch die Pfändung deutschen Staatseigentums in Italien ist nicht mehr ausgeschlossen. Damit geht ein jahrelanger Streit zwischen der Bundesrepublik und tausenden Exdeportierten, die 1943 bis 45 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden waren, in die nächste Runde.
2001 hatte sich Deutschland endlich zur Entschädigung Deportierter bereit erklärt, Italiener aber ausgeschlossen. Pauschal nämlich war Italien kurz nach Kriegsende für die zivilen Verschleppten entschädigt worden (und hatte Zahlungen an 54.000 Betroffene geleistet). Gegenüber den mehr als 600.000 italienischen Soldaten, die nach dem Bruch der Achse zwischen dem faschistischen Italien und Nazi-Deutschland interniert wurden, griff die Bundesrepublik zu einem juristischen Trick: Die seien eigentlich Kriegsgefangene gewesen und könnten deshalb keine Entschädigungen verlangen. Das akzeptierte das Bundesverfassungsgericht, nicht aber Italiens Kassationsgericht.
Das befand jetzt, dass die bisher leer Ausgegangenen in Italien in Zivilverfahren Ansprüche erheben können. Die von Deutschland geltend gemachte "Staatenimmunität" gelte bei Verbrechen gegen die Menschheit nicht. Sammelklagen sind aber nicht zugelassen. Schon deshalb macht Enzo Orlanducci vom Opferverband ANRP sich wenig Illusionen: Individuelle Verfahren seien sehr teuer, und die heute meist mindestens 85-Jährigen müssten sich auf langwierige Prozesse einstellen.
Im Gespräch ist noch die Option, parallel mindestens 1.000 gleichlautende Entschädigungsklagen einzureichen, aber auch dies sieht Orlanducci mit Skepsis. Er sähe lieber eine politische Lösung des Streits. Er fordert die Bundesrepublik auf, endlich unmissverständlich ihre Verantwortung anzuerkennen, Archive zu öffnen, mit einem Mausoleum der Opfer zu gedenken und Stipendien zur historischen Aufarbeitung zu gewähren. Finanzhilfen sollte es für Exdeportierte in besonderen Notlagen geben.
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