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Zuständigkeiten in der PandemiepolitikAbgeordnete für mehr Macht für Bund

Rund 50 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU wollen dem Bund ermöglichen, Corona-Beschränkungen zu erlassen. Die Grünen wären dabei.

Bekam Post von 52 seiner Abgeordneten: Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus Foto: Christoph Hardt/imago

Berlin AFP, Reuters, taz | Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU wollen dem Bund mehr Kompetenzen in der Pandemie-Bekämpfung verschaffen. Eine Initiative von Unions-Abgeordneten sieht vor, den Bund zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Durchsetzung von Corona-Maßnahmen zu ermächtigen. Über diesen Vorschlag berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag. Damit könnte auch der Bund Corona-Beschränkungen verhängen – ebenso wie die Landesregierungen.

Es geht darum, dass der Bund überhaupt handeln kann.

Norbert Röttgen, CDU

Derzeit sieht das Infektionsschutzgesetz vor, dass es Aufgabe der Länder ist, Corona-Schutzmaßnahmen zu erlassen und durchzusetzen. Die CDU-Abgeordneten Norbert Röttgen, Johann Wadephul und Yvonne Magwas kritisieren in einem Schreiben an ihre Fraktionskollegen die zunehmend uneinheitliche Auslegung der Maßnahmen von Land zu Land.

„Zuletzt und andauernd“ sei eine „Einigung auf gemeinsames Handeln nicht mehr möglich gewesen“, heißt es in dem Brief, mit dem die Abgeordneten um Unterstützung werben. „Dadurch wurde die Schwäche des Infektionsschutzgesetzes sichtbar, die darin besteht, dass dieses Gesetz nur die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, mit denen die Ziele des Gesetzes erfüllt werden sollen, nicht aber die Bundesregierung.“

Der Bundestag müsse „diese Lücke im Infektionsschutzgesetz zügig schließen“, fordern die Abgeordneten. Ziel müsse sein, „dem Bund (zusätzlich) die selben Handlungsmöglichkeiten zu geben wie den Ländern, nämlich durch Rechtsverordnung die Durchsetzung der nationalen Ziele des Infektionsschutzgesetzes zu gewährleisten“. Die Abgeordneten riefen ihre Fraktionskollegen auf, bis Donnerstagmittag ihre Unterstützung für die Initiative zu signalisieren und sich beim Büro von Norbert Röttgen zu melden.

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Röttgen sagte der Zeitung Die Welt, die Initiative werde von 52 Abgeordneten von CDU und CSU unterstützt. Das Schreiben mit den Unterschriften sei an den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt versandt worden, sagte Röttgen weiter. Es gehe nicht darum, die Länder zu schwächen. „Es geht darum, dass der Bund überhaupt handeln kann.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich für mehr Kompetenzen für den Bund aus. „Wir brauchen endlich ein einheitliches, gemeinsames und wirkungsvolles Vorgehen gegen die Coronakrise, einen radikalen Wellenbrecher, um die dritte Welle unter Kontrolle zu bekommen“, sagte Göring-Eckardt der taz. Weiteres Abwarten sei „unverantwortlich und gefährlich“. Die Ministerpräsidentenkonferenz habe es nicht vermocht, ein gemeinsames Vorgehen verbindlich zu verabreden. „Nun muss auf Bundesebene gehandelt werden.“ Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Infektionsschutzes. „Wir fordern schon seit langen, dass der Bundestag die Maßnahmen beschließt.“

Die Diskussion darüber, ob mehr Kompetenzen in der Coronapolitik auf die Bundesebene verlagert werden sollen, schwelt seit Ende März. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der ARD-Sendung Anne Will gesagt, die Länder müssten bei der Pandemiebekämpfung „nachlegen“. Sie kritisierte Lockerungsschritte und stellte zugleich in den Raum, dass der Bund über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes selbst die Initiative ergreifen könnte. Ein Regierungssprecher hatte am Wochenende erklärt, es werde überlegt, „ob und wie der Bund einheitliche Vorgaben machen soll, falls das Vorgehen der Länder nicht ausreicht“.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund zeigte sich skeptisch. Der Umweg über ein neues Infektionsschutzgesetz „löst nicht das jetzt akute Problem, dass wir schnell die dritte Welle brechen müssen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zwar seien mehr Bundesbefugnisse für klare und einheitliche Vorgaben „wünschenswert“. Die dafür angepeilte Gesetzesänderung erfordere aber die Beteiligung des Bundesrates sowie Beratungen in den Gremien. „Das ist kurzfristig kaum darstellbar“, sagte Landsberg.

Am Montag will Merkel wieder mit den 16 LänderchefInnen über Corona-Maßnahmen beraten. Allerdings streiten sich Letztere noch über die Linie. Der Niedersachse Stephan Weil (SPD) wies Forderungen für einen kurzen und harten Lockdown zurück. Der Thüringer Bodo Ramelow (Linke) sprach sich gegen bundeseinheitliche Regelungen aus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte eine Verschiebung der Konferenz ins Gespräch gebracht, wenn die 16 Landeschefs keine klare Linie vertreten würden.

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5 Kommentare

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  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - wirft ein:

    “Mothers little Helpers

    In ihrer grenzenlosen Bescheidenheit möchte Angela Merkel jetzt noch etwas durchregieren. Röttgen und Brinkhaus parieren.



    taz.de/Zustaendigk...epolitik/!5759230/ "oh doctor please, some more of these..." (Mothers Little Helpers) Wenn der Ralph etwas Gleitgel auf sein Haupt schmiert, wird es vermutlich für ihn einfacher, den richtigen Weg zu finden. Weiß er eigentlich schon, dass Frau Merkel nicht mehr Parteivorsitzende ist - und dass sie ihre Kanzlerinnenschaft nach der BTW beenden will?“

    kurz - Ich sage nur:



    Gymnasium Nepomucenum Rietberg



    “ Mädchen wurden erst ab Quinta 1939 koedukativ zugelassen, aber nur bis zur damaligen 5. Klasse, heute: 9. Klasse oder Obertertia,.…“



    Woher bitte? Soll Ralph aus OWL sowas wissen? Und wieso überhaupt?



    Hauptsache Mutti - 😱 - Newahr.



    Wollnichwoll.

  • Die Bundesländer sind unterschiedlich, sowohl von Bevölkerungsdichte, Einnahmequelle, Krankenhauskapazitäten, Altersstruktur... Deshalb gibt es den Föderalismus, weil man lokale Probleme eben auch besser lokal löst.

    Jetzt hat sich die Bundesregierung bei ihrer Coronapolitik nicht mit Ruhm bekleckert, sondern sie hat versagt. Sowohl bei der Bekämpfung der Krankheit, als auch bei der wirtschaftlichen folgen.

    Warum also sollte man der Regierung mehr Macht geben, damit noch weniger Alternativen für die unterschiedlichen Probleme gefunden werden. Schon eine Beschränkung auf eine Runde von Länderchefs ist von Übel,

  • Ein kluger Mensch hat eine Petition geschrieben, dass Notengebung in Coronazeiten ausgesetzt werden muss, ebenso Durchfallen. Aber die Ausgestaltung muss föderal bleiben, meine ich. Sonst könnten wir usere Demokratie an den Nagel hängen und schwarz mit grün mischen, dan wird die Farbe so werden wie - naja - im braunen Sumpf leben. Die CDU will also Zwangsmaßnahmen bundesweit erlassen - (und dann mit der Bundeswehr durchsetzen oder wie?). Da sind die Grünen dabei - klar. Um ihre kurzfristigen Zieke durchzusetzen haben sie auch beim Bau der A49 in Hessen die Gewalt gegen friedliche Demonstranten toleriert, ok- nicht toleriert - sie haben einfach weggeschaut. Jetzt schon wieder um mit der CDU zu kuscheln bundesweite Eingriffsmögkichkeiten suchen? So schlecht wie die "Coronaplotik" bisher war, fehlt mir das Vertrauen, dass das vertrauenswürdig ist. . Nein Grüne, nein CDU, Demokratie geht anders. parlamente und bundesländer müssen eben überzeugt werden. Oder sind die Ministerpräsidenten so unfähig, dass sie keine gemeinsame Linien finden. - Dann wäre es eben so. Da sollte sich der Wähler überlegen, was los ist und - - dann - neue Politiker braucht das Land - isch schreibs an jede Wand ... neue ...

  • Och nee.



    Bundestag: ja



    Länderparlamente: ja

    Aber jetzt auch noch Verordnungen durch die Bundesregierung: Nee

    Ich finde es nervig mit dem Föderalismus, aber auch erfolgreich. Ja, ich wünsche mir einheitliche Regelungen - die im Grundsatz gern vom Bundestag beschlossen werden dürfen. Aber die Ausführung vor Ort, die sollte bitte schön bei den Ländern bleiben.

    Wir sehen doch nicht nur einen Flickenteppich von Verordnungen sondern vor allem auch einen Flickenteppich von unterschiedlichen Inzidenzen, Krankenhausbelegungen und Sterblichkeitsraten. Das kann man doch nicht über einen Kamm scheren. Schweden ist mit einer auf die Einsicht der Bürger fußenden Strategie seit dem Sommer extrem gut gefahren. Frankreich mit sehr strengen Auflagen eher nicht. Das hat sehr viel mit Kultur zu tun. Und genau diese kulturellen Unterschiede gibt es, das mag man bedauern oder begrüßen, auch ein D.



    Im Herbsturlaub in Friesland habe ich - bei formal ähnlichen Regeln - einen vollkommen anderen Umgang mit der Pandemie erlebt als in Thüringen, wenig später konnte man das auch sehr deutlich an den Zahlen ablesen.

    Also, bitte Gemeinsamkeiten bei den Regeln (Bund), aber ein angepasstes Verhalten bei den Regelungen (Länder, Kreise).

    Ich fürchte nur, dass die Kanzlerin etwas anderes im Kopf hat - und hier würde ich mir auch mehr Abstand der Grünen zur regierenden CDU wünschen.

  • Seltsam, die Unionsparteien entdecken plötzlich ihr Herz für bundeseinheitliches Handeln, tun also wieder so, als kritisierten sie etwas, wofür sie selbst die Hauptverantwortung tragen ... und diese Taschenspielertricks, mit denen sie sie versuchen, angesichts mieser Umfragewerte ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, werden von der grünen Opposition noch goutiert. Das passt aber durchaus ins Bild.



    Aus meiner Sicht haben solche Volten mehr mit der miserablen Coronapolitik von Bund und Ländern, insbesondere auch der schwachen Prformance der christdemokratischn/ -sozialen Bundesminister*innen und diverser Länderchefs zu tun ... und natürlich der Angst vor dem Untergang, wobei Machtverlust bzw. Opposition in der konservativen Denke dieser Unionisten ja dasselbe bedeuten.



    Da trifft es sich gut, dass die einen (CDU/CSU) nicht von der Macht lassen wollen, die anderen (Grüne) genau dorthin streben ... da lässt sich noch was machen, Maskengate hin und Korruption her.