Zusammenarbeit mit der AfD: Jede Brandmauer ist anders
Allianzen zwischen CDU und AfD sind vielerorts schon Alltag. Bei der Bewertung dieser Zusammenarbeit ist aber ein differenzierter Blick angebracht.
Am Ende der vergangenen Woche pfiff das SPD-geführte sächsische Sozialministerium einen Beschluss des Kreistages Bautzen zurück. 47 Kreisräte waren in geheimer Abstimmung dem AfD-Antrag gefolgt, die Stelle der Ausländerbeauftragten Anna Pietak-Malinowska zu streichen, nur 30 stimmten dagegen. Die AfD als stärkste Fraktion verfügt über 32 Sitze, mindestens 15 Stimmen müssen also von anderen Fraktionen gekommen sein. Unzulässig, hält das Ministerium dagegen: Das seit Mai geltende Integrations- und Teilhabegesetz schreibe die Einsetzung eines oder einer hauptamtlichen Ausländerbeauftragten vor.
Astrid Riechmann vom Verein „Willkommen in Bautzen“ zeigte sich im MDR schockiert über das Signal des Kreistages gleich in seiner ersten Sitzung nach der Kommunalwahl im Juni. Die Botschaft sei: „Wir machen nur noch das Allernötigste an Unterstützung für Ausländer!“ Sogar der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) nennt die Beratung der Migranten „unverzichtbar für die Integration“.
Auf dem taz-Panterforum in Chemnitz sprach am Wochenende auch Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen den Skandal an. Solche offensichtlichen Bekundungen politischer Gemeinsamkeit gehen weit über parteiübergreifende pragmatische Entscheidungen in der Kommunalpolitik hinaus. Und sie konterkarieren speziell im sächsischen Wahlkampf die verbalen Distanzierungen von Ministerpräsident Michael Kretschmer gegenüber der AfD. Der CDU-Landesvorsitzende bemüht sich, entschieden zu wirken, aber die Wirklichkeit ist eine andere. Die AfD gibt die Richtung vor.
Der Bautzener CDU-Landrat Udo Witschas hatte schon vor seiner Wahl 2022 keine Berührungsängste mit der NPD, speziell während der Flüchtlingskrise 2015/16. Ende 2022 strich er gemeinsam mit der AfD Asylbewerbern Integrationsleistungen. Im März dieses Jahres bestritt er die auch vom CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz behaupteten Brandmauern zur AfD. Witschas bezeichnete sie gegenüber dem Onlinemedium Neue Lausitz sogar als „Tod der Demokratie“, weil sie den Volkswillen negieren würden. Erst nach einem Parteiverbot würde er Kontakte einstellen.
Kritik an „Einheitsfront“
In der aktuellen Phase zwischen den Kommunal- und den Landtagswahlen schauen Demokratiewächter genauer hin, was speziell bei der Konstituierung von Stadträten von der viel beschworenen Brandmauer nach rechts noch übrig ist. Differenzierung ist dabei angebracht. Wenn die CDU Thüringen im Erfurter Landesparlament ihr Gesetz zur Senkung der Grunderwerbsteuer mithilfe der AfD durchbringt, ist eine solche inhaltliche Kongruenz schärfer zu bewerten als ein breiter Konsens bei kommunalen Personalentscheidungen.
Im Stadtrat von Kamenz in der Lausitz zum Beispiel hatten sich CDU und AfD auf eine gemeinsame Liste für die Stellvertreter von Oberbürgermeister Roland Danz geeinigt. 21 der 26 Stadträte stimmten für dessen zweite Stellvertreterin Cordula Gneuß von der AfD. Stadtrat Alex Theile von „Miteinander für Kamenz“ kritisierte die „Einheitsfront“ heftig. Ein ähnlicher Fall hatte im Kreistag des Salzlandkreises in Sachsen-Anhalt Anfang Juli hohe Wellen geschlagen. AfD-Frau Claudia Weiss wurde mit breiter Mehrheit zur Vize-Vorsitzenden gewählt. Für den stellvertretenden AfD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Büttner ist die Brandmauer ohnehin „schon lange Geschichte“. Im Stadtrat von Quedlinburg erlangte der von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland suspendierte Pfarrer Martin Michaelis über die AfD-Liste ebenfalls den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden. Wer Kandidaten der AfD unterstütze, mache sich mitschuldig, wetterte daraufhin die Fraktionsvorsitzende der Linken im Magdeburger Landtag, Eva von Angern.
Das Kommunalpolitische Forum der Linken in Sachsen ist eine Bildungseinrichtung. Geschäftsführer Patrick Pritscha will sich deshalb nicht zu politischen Dammbrüchen und schleichender Aufwertung der AfD äußern. Er stellt aber den verbreiteten Irrtum richtig, Gemeinde- und Stadträte seien Kommunalparlamente. Sie sind Bürgervertretungen, aber nach deutschem Recht Teil der Verwaltung, also der Exekutive. Mithin also eigentlich nicht Orte der politischen Willensbildung.
Wenn auch Genossen bestätigen, dass in Gemeinderäten 90 Prozent aller Beschlüsse einstimmig gefasst werden, liege das laut Pritscha schlichtweg daran, dass die übergroße Mehrheit der Anträge aus der Verwaltung käme. Der Forums-Geschäftsführer räumt aber ein, dass mit wachsender Größe der Räte der parteipolitische Einfluss und damit auch die politische Brisanz von Entscheidungen zunimmt.
„Menschlich eine Bereicherung“
Ist zumindest eine symbolische Brandschneise angebracht, wenn es um Tempo 30 oder 50 auf einer Dorfstraße geht? Für die Errichtung einer Brandmauer gibt es keine allgemein gültigen Bauvorschriften. Zunächst wirkt es beispielsweise befremdlich, wenn Bürgermeister Dieter Greysinger (SPD) im mittelsächsischen Hainichen Stadtrat Danilo Junghans von der inzwischen nicht mehr im Rat vertretenen AfD lobend verabschiedet. Er sei „menschlich und auch von den Beiträgen her eine Bereicherung für den Stadtrat gewesen“. Befürchtungen seien nicht eingetroffen. „Somit stand das so oft zitierte Wort Brandmauer nie zur Debatte“, betont der Bürgermeister. Man kann das als Zeichen verbliebenen Grundrespekts werten oder als schleichende Aufwertung der Rechtsextremen. Die Wahlergebnisse aber zwingen zur Klärung der Umgangsformen mit konkreten AfD-Vertretern. Niemand hat in fünf Jahren Anstoß an der Sitzungsleitung des sächsischen Landtags-Vizepräsidenten André Wendt genommen. Und der Stadtrat im streitsüchtigen Dresden verständigte sich am Donnerstag in nur zweieinhalb Stunden auf alle Besetzungsformalitäten seiner Gremien, AfD und einen Freien Sachsen eingeschlossen.
Das ist etwas anderes, als wenn die CDU im März dem AfD-Antrag auf eine lokale Bezahlkarte für Asylbewerber zustimmte – die dann zwei Monate später aber auch der Bundestag beschloss.
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