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Zusätzliche LehrstellenAzubis dringend gesucht

Die Wirtschaft will 40.000 zusätzliche Ausbildungsplätze anbieten. Zunehmend klagen die Unternehmen über Fachkräftemangel und faule Schüler.

Die Gastronomie klagt über Fachkräftemangel. Bild: ap

BERLIN taz | Die deutsche Wirtschaft will wegen des Konjunkturaufschwungs im laufenden Jahr 40.000 Ausbildungsplätze mehr in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung anbieten. Das sei das Ergebnis einer Umfrage unter rund 14.000 Unternehmen, sagte am Montag Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). "Die Chancen der Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz sind glänzend."

Als Ausbildungsmotor erweisen sich vor allem die exportorientierten Industriebetriebe, die ihr Angebot nach dem Wirtschaftseinbruch wieder hochfahren. Probleme gibt es jedoch bei der Besetzung der Ausbildungsplätze. Insgesamt hätten 2010 bereits ein Viertel der DIHK-Betriebe nicht mehr alle Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerbern besetzen können.

Dabei bereitet den Unternehmen der Fachkräftemangel jetzt schon Sorge. Im Gastgewerbe betreffe das sogar mehr als die Hälfte aller Unternehmen, sagte Wansleben. Allerdings griffen diese verstärkt zur "Selbsthilfe": Um Lehrstellen auch mit lernschwächeren Bewerbern besetzen zu können, böten bereits 56 Prozent der Betriebe Nachhilfe an.

Klagen gibt es auch über den Bildungsstand der Schulabgänger: "Die Hoffnung der Wirtschaft auf eine bessere Ausbildungsreife erfüllt sich offensichtlich nicht", sagte Wansleben. Zwar seien die Unternehmen mit den Mathe- und Deutschkenntnissen etwas zufriedener, "aber die Unzufriedenheit mit Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und Disziplin steigt seit 2006 kontinuierlich an", sagte Wansleben. Solche Erziehungsprobleme "müssen sich vor allem die Eltern ins Stammbuch schreiben".

Die Bundesagentur für Arbeit hatte bereits Anfang April mitgeteilt, die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze für 2011 übertreffe bereits deutlich das Vorjahresniveau. Der aktuelle Berufsbildungsbericht der Regierung hatte noch für Oktober 2009 bis Oktober 2010 560.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge gemeldet, 0,8 Prozent weniger als 2008/2009.

Auch die Bewerberzahlen sinken aus demografischen Gründen seit einigen Jahren. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten wies aber darauf hin, dass 2010 mindestens 84.600 ausbildungsreife Jugendliche keine Lehrstelle bekommen hätten, dem gegenüber standen 19.600 unbesetzte Ausbildungsplätze. Rund 320.000 Jugendliche sind zudem in "Warteschleifen" geparkt, absolvieren Praktika oder Bewerbungstrainings, suchen aber eine Lehrstelle.

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10 Kommentare

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  • T
    tja

    Es ist schon bezeichnend, dass gerade im Gastgewerbe, wo die Löhne so niedrig sind, dass man später mit ALG2 aufstocken muss, jetzt ach so überraschend Bewerbermangel herrscht. Löhne von 5 Euro brutto, hohe Anteile an geringfügig Beschäftigten ... Wozu drei Jahre Ausbildung, wenn die am Ende den Lebensunterhalt nicht sichert? Da sind andere Branchen eben attraktiver.

  • P
    Pumuckl

    Das Foto zum Artikel sagt doch alles: wenn der arme Kerl nicht 9(!) Teller gleichzeitig balancieren würde, wäre er nichtmal seinen ausgesprochen kargen Lohn "wert".

     

    Wo werden denn dringend "Fachkräfte" und Lehrlinge gesucht? Wo die Löhne gering und die Arbeitsbedingungen mies sind. Genau dort, wo man keine Fachkräfte braucht, sondern billige Malocher. Gastronomie, Gebäudereinigung, Bäcker (Fertigbackmischungen) etc. Ein Lehrling ist da ne gute Anschaffung: ist billg, hält's Maul, macht Überstunden wie gewünscht und hält aus Zukunftsangst 3 Jahre durch.

  • ME
    Meister Eder

    Die Interessenvertreter sollen mal nicht dummlabern. Es ist für intelligente und interessierte Menschen ausgesprochen schwierig, eine Lehrstelle zu finden, weil die Betriebe - gerade im Handwerk - gern den unkritischen Dummbatz bevorzugen, der alle Anweisungen kommentarlos schluckt. Der Lehrling soll schließlich arbeiten und nicht fragen.

     

    Von daher ist die Mähr von fehlender Bildung oder "Ausbildungsreife" eine bösartige Lüge. Wenn man natürlich unter "ausbildungsreif" versteht, daß der Lehrling bereit ist, im Winter um halb sieben seinen Dienst auf der Baustelle anzutreten, dann haben sie vielleicht recht. Nur sind die Jugendlichen heute nicht mehr so abergläubig. Sie nehmen dem Chef nicht mehr ab, daß es genau so sein muß, weil es "schon immer" so war.

     

    Ich habe diese ätzende Arbeitsmoral im Handwerk selbst kennengelernt und sage: NEIN DANKE!

  • F
    FAXENDICKE

    Was jammern die denn rum? Sind doch alles hausgemachte Probleme. Jahrzehntelang wurde bewußt zu wenig ausgebildet und insbesondere die Konservativen klammern sich bis heute an ein Schul-und Bildungssystem welches zu Kaisers Zeiten vielleicht mal als fortschrittlich galt. Hinzu kommen zu wenig und schlecht ausgebildete Lehrer und Schulen die baufälligen Ruinen gleichkommen.

    Ein derart diskriminierendes selektives Schulsystem das nur darauf ausgelegt ist die sozial schwachen auf ewig schön unten zu halten und jede Möglichkeit auf Chancengleichheit lebenslang verbaut, zumindest jedoch extrem erschwert, gehört im Grunde nicht in eine wirkliche Demokratie.

  • A
    aletta

    ich glaube gerne, dass betriebe verzweifelt azubis suchen. die sind ja auch preiswert, zum teil günstiger als ein 400€-student und zu viel mehr arbeit verpflichtet.

    und ich glaube auch gerne, dass die jugendlichen sich nicht bewerben, denn wer will schon als billige arbeitskraft ausgenutzt werden um dann nach 3 jahren leider nicht übernommen werden zu können?

    es ist in vielen ausbildungsberufen zudem inzwischen gang und gäbe, ausgelernte kräfte als minijobber einzustellen.

    ich glaube deshalb, dass es vielen unternehmen nicht darum geht, ernsthaft nachwuchs zu erzeugen, sondern eher um billige arbeitskraft, die in kurzen zyklen ausgewechselt werden kann und noch jung und unsicher ist und deshalb stets spurt.

  • AW
    Alibaba Wunderbar

    Es wird etwas langweilig, das immer wiederkehrende Gejammer der Unternehmen bzw. Arbeitgeber über die "faulen" und "dummen" Schüler.

     

    Bereits vor über 30 Jahren schrieb "der arbeitgeber", das offizielle Organ der Deutschen Arbeitergeberverbände in der Ausgabe Nr. 2 des Jahres 1976, dass "nur wenige (ca. 20-25 Prozent) der heutigen [1976!] Jugendlichen für theoretisch anspruchsvolle Tätigkeiten ausgebildet werden können... Diese Ergebnisse zeigen erneut, dass das Problem der Ungelernten ein Problem der Lernzschwachen ist."

     

    Fällen dem Arbeitgebern keine neuen Argumente ein?

  • H
    hann0s

    Zahlt halt ordentliche Gehälter, achtet auf ein angenehmes Betriebsklima und richtige Arbeitszeiten, kurz behandelt die Leute wie Menschen und die Arbeiten auch richtig.

    Davon ab, dieses rumgejaule vom Fachkräftemangel is doch nur dazu da, moar Ings. hochzuziehen damit man deren Löhne noch weiter drücken kann mit dem Verweis auf die andern.

  • D
    diplom_hartzi

    Na dann sollen Sie doch erwerbslose Akademiker einstellen und denen während der Lehre so viel zahlen, dass sie davon leben können. Habe die Probe aufs Exempel gemacht: Schlagzeile in der Presse: "Apothekern geht der Nachwuchs aus!" Ich gehe auf die Website der Landesapothekerkammer unter Lehrstellen: Nichts! Schreibe an die LAK, Antwort: Wenden Sie sich bitte an die konkreten Verkaufsstellen. Frage dort: Lehrlingsentgelt in Hartz IV-Höhe gibts nicht.

    Na dann eben weiter Zeitungen austragen. (War früher auch mal n Lehrberuf.)

  • D
    docvonstock

    Die Lehrstellenlüge ist die dreisteste Lüge gleich hinter den Mietnomaden. Ein ganzes Volk wird so systematisch belogen und betrogen. Schaut man sich die wirklichen Statistiken an, so ergibt sich, dass in einer Großstadt mit 100 000 Einwohnern nur jeder siebte Schüler einen Ausbildungsplatz erhalten hat. Der Rest kommt in das Karussell: Schule-Praktikum-Qualifizierung-Praktikum-Bewerbertraining-PC-Kurs-Praktikum-Qualifizierung-ein-euro-job...

     

    Wie lange will sich dieses Volk noch von Betrügern und deren Marionetten in der Bundesregierung knechten lassen?

     

    PS: Die tatsächlich belegbaren Daten verschwinden dann nach Bekanntgabe regelmäßig im Bermudadreieck aus Politik-Arbeitsamt-ARGE, sie werden totgeschwiegen.

  • H
    Heinz.DD

    Wie wäre es denn, wenn unsere lieben Unternehmer mal selbst etwas in die Ausbildung investieren und nicht den Schulen die Arbeit überlassen? Dieses ewige Rumgezeter! Bäcker-Lehrlinge wissen nicht, wer der amtierende Bundespräsident ist - Uhhhh, gehört das zur Service-Leistung eines Backhauses? Wo ist das Problem, einem jungen Menschen in 3(!) Jahren die Prozentrechnung und diverse Maßeinheiten beizubringen? Wir sind doch so stolz auf unser 3-gliedriges Ausildungssystem, also frage ich manchmal, was man heute eigentlich auf einer Berufsschule so lernt. Wenn genau diese Institution nichts zu leisten vermag, müssen wohl einmal die Damen und Herren Ausbilder den Arsch (entschuldigung...) hochbekommen und schon in eigenem Interesse ihren Azubis das notwendige selbst beibringen!

    Nochwas: wer ordentliche Löhne zahlt und ein freundliches Betriebsklima schafft, der bekommt auch Bewerber! Auwachen, liebe Unternehmer!