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Zur Linken-Kritik an den DiätenDie Ausgangsbasis ist das Problem

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Kritik der Linken an der Diätenerhöhung liegt auf der Hand. Glaubwürdig wäre sie aber erst, wenn die Partei einen Antrag auf Senkung einbrächte.

Abgeordnete im Deutschen Bundestag Foto: Katharina Kausche/dpa

D ie Aufregung der Linkspartei, dass auch in diesem Jahr die ­Abgeordnetenentschädigungen wieder kräftig steigen sollen, ist durchaus nachvollziehbar. Bei einer Regierungskoalition, die Bür­ger­geld­be­zie­he­r:in­nen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt, wirkt eine Diä­tenerhöhung, die höher ist als deren monatlicher Regelsatz, schon zynisch.

Trotzdem hat die Kritik daran, dass eine Mehrheit des Bundestags am Donnerstagabend das 2013 von einer unabhängigen Expertenkommission vorgelegte Verfahren zur Diätenanpassung erneut bestätigen will, etwa Wohlfeiles. Denn die Linke zielt am eigentlichen Problem vorbei. Dass es einen automatischen Mechanismus gibt, Diätenerhöhungen an die allgemeine Lohnentwicklung zu koppeln, ist sinnvoll, um dem Vorwurf einer Selbstbedienungsmentalität zu begegnen.

Wenn vergangenes Jahr die Nominallöhne laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zu 2023 um 5,4 Prozent gestiegen sind, ist es auch in Ordnung, wenn ab dem 1. Juli die Abgeordneten entsprechend prozentual mehr erhalten. Der Haken ist die Ausgangsbasis: Derzeit rund 11.227 Euro brutto pro Monat sind viel Geld. Nun sollen 606 Euro hinzukommen. Nach ihrem Amtsantritt haben die Linken-Vorsitzenden Jan van Aken und Ines Schwerdtner verkündet, von ihrem Gehalt nur 2.850 Euro netto zu behalten.

Sie wollten schließlich „die Welt verändern und da reicht ein Durchschnittsgehalt, das die Menschen in Deutschland verdienen, völlig aus“, argumentierten die beiden. Sie seien der Überzeugung, „dass abgehobene Gehälter auch zu einer abgehobenen Politik führen“. Wenn sie das ernst meinen würden, müsste die Linke einen Antrag in den Bundestag einbringen, die Diäten deutlich zu senken. Das macht die Partei aber nicht, sondern beschränkt sich auf Schaufensterempörung.

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Tatsächlich halten auch viele ihrer Abgeordneten es für angemessen, weit mehr als normalsterbliche Erwerbstätige zu verdienen. Eine offene und ehrliche Diskussion darüber zu führen, traut sich die Linke jedoch leider nicht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist Mitte vergangenen Jahres im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • Es wäre gut, wenn die taz mal ausführlich analysiert und bewertet (ich mach das hier nur ganz grob), was ein Bundestagsabgeordneter im Monat erhält:



    Ca. 12.000 € Lohn (ab Juli)



    Ca. 5.000 € pauschale und steuerfreie (!) Aufwandsentschädigung (ohne jeglichen Nachweis tatsächlich entstandener Kosten!)



    Ca. 25.000 € für Sach- und Personalkosten (mit Nachweis; jeder Abgeordnete muss sich also schon ein paar Gedanken machen, wie er an die Kohle herankommt)



    Ca. 10.000 € erhält jede Fraktion zu dem schon üppigen Kostenersatz zusätzlich pro Abgeordneten (hier muss der Abgeordnete also nur dafür sorgen, dass er dieses Geld auch von der Fraktion bekommt bzw. sich etwas einfallen lassen, was die Franktion für ihn finanzieren soll).



    Hinzukommen noch Vergünstigungen wie Bahncard 100 (7.999 €), kostenlose Fahrbereitschaft, div. Einladungen, die eigene Aufwendungen einsparen, usw.



    Jeder Abgeordnete muss also nur einen kleinen Teil seiner Arbeitszeit dafür aufbringen, kreativ die vorhandenen Geldtöpfe auszuschöpfen, um mehr als 50.000 € pro Monat (!) einzutreichen. Das entspricht ziemlich genau dem durchschnittlichen Brutto-Jahres(!)einkommen eines Arbeitnehmers.

  • Mir wäre es lieber sie wären besser bezahlt und dafür würden die Lücken für Nebenbeschäftigung und die Drehtür Richtung Interessensverbänden und Unternehmen geschlossen.

  • Der Bote ist schuld am Problem, na dann. Sicher könnten sie mehr tun, aber wenn schon das kritisiert wird, kommen wieder die besser weg, die nichts tun.

  • Vielleicht würde es ja schon ein bissl helfen, wenn sich die Diätenerhöhungen an den Rentenerhöhungen orientieren würden. Und da dann jeweils 2% drunterbleiben.

  • Nicht jeder Job ist gleich. Natürlich ist die Ausgangsbasis bei einem Bundestagsabgeordneten hoch. Die Diät passt aber doch zur Aufgabe, besonders was die Verantwortung betrifft. Als Bürger finde ich die Basis nicht zu hoch und die Erhöhung auch nicht.

  • Die Linke wäre also nur glaubwürdig, wenn sie einen Antrag einbrächte, der sicherst sicher abgelehnt wird.



    Aha.



    Sehr bemüht, diese Schlussfolgerung.

    • @Nansen:

      seh ich genauso!