Zur Lage der Linkspartei: „Das ist auch eine Zäsur“

Der Osten war eine sichere Bank, sagt Katina Schubert, Vize-Bundeschefin der Linken. Nach der Brandenburg-Niederlage müsse die Partei zusammenhalten.

Stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken Katina Schubert

Katina Schubert, stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken und Abgeordnete in Berlin Foto: dpa

taz: Frau Schubert, wie haben Sie geschlafen nach dem erschütternden Wahlergebnis für die Linke in Brandenburg?

Katina Schubert: Nicht so gut.

taz: Was geht Ihnen durch den Kopf?

Schubert: Ich frage mich natürlich nach den Gründen. Es gibt Gründe, die liegen bei uns selbst. Aber von der Wahlstrategie der anderen Parteien her hatten wir es auch nicht in der Hand, alles besser zu machen.

taz: Ihr Brandenburger Spitzenkandidat Sebastian Walter hat am Sonntagabend gesagt, die Linke sei von allen Seiten zerschreddert worden.

Schubert: Im Ergebnis ist das so.

taz: Wenn man sich die Wählerwanderung anguckt, hat Ihre Partei in Brandenburg am meisten an das BSW verloren. Gibt es so etwas wie einen Hauptgrund für die großen Verluste?

62, ist seit 2021 stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken. Zudem ist sie seit 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses, bis 2023 führte sie den Berliner Landesverband.

Schubert: Sagen wir mal so: Das Innenleben unserer Partei ist durch den jahrelangen Streit einfach nachhaltig gestört gewesen. Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt. Und uns wird nachgesagt, wir seien zerstritten. Dabei erfüllen wir dieses Image eigentlich gar nicht. Die Bereitschaft zur Einigung ist nach der Abspaltung des BSW sehr viel größer geworden. Aber es braucht Zeit, bis sich das in der öffentlichen Wahrnehmung durchsetzt. Insofern ist das auch eine Zukunftsaufgabe, dass sich die Wahrnehmung der Partei verändert und wir als die Partei der sozialen Gerechtigkeit, der Wahrung der Menschenrechte und solidarischen Demokratie gelten.

taz: Wenn man, wie jetzt am Sonntag geschehen, aus dem Landtag fliegt, wird das schwer.

Schubert: Ja, das ist dramatisch. Es ist das erste Mal, dass die Linke in den ostdeutschen Ländern nicht mehr in einem Landtag vertreten ist. Für uns ist das auch eine Zäsur. Der Osten war eine sichere Bank. Jetzt sind wir erstmalig tatsächlich eine gesamtdeutsche Partei mit den gleichen Problemen im Osten wie im Westen. Mit einer Fraktion im Landtag ist es viel einfacher, vor Ort verankert zu sein, Strukturen aufzubauen und um Mitglieder zu werben, als wenn man das aus einer außerparlamentarischen Oppositionsrolle heraus macht.

taz: Es heißt, die Linke hätte in letzter Zeit viele neue Mitglieder gewonnen. Was heißt das in Zahlen?

Schubert: Seit dem Abgang der Wagenknecht-Truppe haben wir bundesweit 8.000 Mitglieder gewonnen. Wir haben auch welche verloren, aber wir haben einen positiven Mitgliedersaldo. Man muss aber dazusagen, dass es eine etwas asynchrone Mitgliedsentwicklung gibt. Nicht überall kommen gleichermaßen Leute zu uns.

taz: Wo haben Sie zugelegt?

Schubert: Vor allem in den großen Städten haben wir hervorragende Mitgliedsgewinne. In Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main, Hamburg, in den urbanen Zentren sind viele zu uns gekommen, während wir im ländlichen Raum eher eine Stagnation haben.

taz: Im Herbst steht Ihr Bundesparteitag an, auf dem sich auch eine neue Parteiführung zur Wahl stellt. Was ist das Gebot der Stunde?

Schubert: Erst mal ist wichtig, die Fliehkräfte möglichst kleinzuhalten. Wir müssen unsere Partei jetzt zusammenhalten. Wir müssen solidarisch miteinander umgehen, und natürlich müssen wir die Gründe für die schlechten Wahlergebnisse weiter analysieren, entsprechende Schlussfolgerungen auch für das nächste Jahr ziehen: Das muss das oberste Gebot sein. Die Hamburger Bürgerschaftswahlen im März müssen gut für uns ausfallen. Das ist ein wichtiges Etappenziel, dann die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und dann die Bundestagswahlen im Herbst. Das ist natürlich das große Ziel: Wir müssen wieder in den Bundestag einziehen.

taz: Auf Brandenburg könnte jetzt eine Koalition aus SPD und BSW zukommen, möglicherweise auch mit der CDU. Was assoziieren Sie mit solchen Bündnissen?

Schubert: Was es konkret wird, werden wir sehen. Aber so oder so: Das ist ein Regierungsbündnis des Rückschritts.

taz: Zulasten von wem?

Schubert: Rückschritt im Sinne von fortschrittlicher Gesellschaftspolitik. Das wird zulasten von Menschen mit Migrationshintergrund gehen und zulasten einer vernünftigen gesellschaftlichen Klimapolitik, es wird Standort-Egoismus befördern. Das BSW hat null Ahnung von diesen Dingen und null Regierungserfahrung.

taz: Fühlen Sie sich als Verlierer mit den Brandenburger Grünen verbunden, die es auch nicht über die 5-Prozent-Hürde geschafft haben?

Schubert: Das tut mir auch für die Grünen leid. Das, was im Moment gegen die Grünen und auch gegen uns aufgefahren wird, ist Ausdruck einer Kampagne einer retardierenden Gesellschaft. Alles, was diese Gesellschaft als vielfältige Gesellschaft kennzeichnet, soll zurückgedreht werden: Klimagerechtigkeit spielt keine Rolle mehr; soziale Gerechtigkeit bedeutet Gerechtigkeit für Deutsche, aber nicht für alle in dieser Gesellschaft. Das alles trifft Grüne und Linke gleichermaßen. Dietmar Woid­ke hat sich erfolgreich als Bollwerk gegen rechts inszeniert. Aber dass ihm das auch mit einer krassen Anti-Flüchtlingspolitik gelungen ist, das ist schon bitter.

taz: Wie sehen Sie die Zukunft der Linken in Berlin, Sie sind ja auch Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus?

Schubert: In Berlin haben wir natürlich eine Zukunft, weil wir ganz stark auch kommunal verankert sind. Auch unsere Verluste Richtung BSW halten sich in Grenzen, nur eine Person hat die Fraktion verlassen. Themen wie Wohnen und Mieten, wo die Linke stark ist, spielen in Berlin eine Riesenrolle. Unser Problem sind weniger die großen urbanen Zentren, sondern die Verankerung in der Fläche.

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