Zunahme rechtsextremer Gewalt in Hamburg: „Eine alarmierende Bilanz“
2023 gab es in Hamburg 32 Prozent mehr Fälle rechter Gewalt als 2022. Die Beratungsstelle Empower sieht die Erfolge rechter Parteien als einen Grund.
D ie Zahlen sind erschreckend deutlich: In Hamburg hat die Beratungsstelle Empower im vergangenen Jahr fast 1.000 Gewalttaten aus rassistischen und antisemitischen Motiven registriert. „Das ist erneut eine alarmierende Bilanz“, sagt Nissar Gardi, der das Projekt von Empower leitet. Im Schnitt wurden im vergangenen Jahr also jeden Tag 2,7 Vorfälle registriert. Gardi betonte jedoch, dass nicht alle Fälle bekannt werden. Eine Dunkelziffer müsse bei den veröffentlichten Zahlen mitgedacht werden. Nur 58,5 Prozent der knapp 1.000 Gewalttaten wurden zur Anzeige gebracht.
Rassistisch und antisemitisch motivierte Übergriffe sind alltäglich, das zeigen die Zahlen von Empower. Aber im Selbstbild Hamburgs wird das gern ausgeblendet. Das belaste die Betroffenen, deren Angehörige und die Communitys zusätzlich, sagt Gardi. Der Anstieg der Gewalttaten sei so auch immer ein Anstieg der Angst.
Verglichen mit dem Jahr 2022 sind die im Jahr 2023 dokumentierten Fälle um mehr als 32 Prozent gestiegen: Während 2022 noch 749 Angriffe erfasst wurden, lag die Zahl 2023 bei nahezu 1.000. Der anhaltende Anstieg wird besonders deutlich, wenn man die Entwicklung seit 2020 betrachtet. Damals dokumentierte die Beratungsstelle Empower 498 Fälle. Für 2024 ist angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung eher nicht mit einem Rückgang der Vorfälle zu rechnen.
Die häufigsten Tatmotive waren rassistisch (348 Vorfälle) und antisemitisch (282 Vorfälle). Zudem wurden 50 Gewalttaten gegen „politische Gegner_innen und Nichtrechte“ erfasst. Oft läge aber auch ein „Ineinandergreifen mehrerer Ideologien“ zugrunde, sagt Gardi. So zählte die Beratungsstelle 248 Fälle, bei denen mehrere Motive zur Tat führten.
Volksverhetzung im Schul-Chat
Der terroristische Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 markierte eine Zäsur, auch in Hamburg. Seitdem sind Jüdinnen und Juden verstärkt von antisemitischen Vorfällen betroffen.
Während zuvor der „moderne Antisemitismus“ überwog, nahmen seit dem Angriff der Hamas der „explizit israelbezogene Antisemitismus“ und der „sekundäre Antisemitismus“ zu, sagt Gardi von der Beratungsstelle Empower. Attacken erfolgten auf offener Straße, insbesondere im Umfeld von „propalästinisch proklamierten Versammlungen“ und „israelsolidarischen Demonstrationen“. Auch am Arbeitsplatz, in Universitäten oder bei ärztlichen Terminen wurden antisemitische Äußerungen dokumentiert.
Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja wurde von Polizei und Medien „kaum registriert“, sagt Gardi. Diese Nichtwahrnehmung resultiere aber auch daraus, dass Straftaten gegen diese Gruppe nicht extra erfasst werden.
Problematisch ist auch die Erfassung von „Anti-Schwarzer Rassismus“ wegen Racial Profiling bei der Polizei oder diskriminierender Vorfälle in Bildungseinrichtungen. Als Beispiel nennt er einen Vorfall an einem Hamburger Gymnasium, bei dem in einer klassenübergreifenden Chat-Gruppe rassistische Inhalte, Volksverhetzung und NS-Verherrlichung geteilt wurden. Auch im Klassenzimmer wurde gehetzt, Lehrkräfte griffen nicht ein. Als die Eltern der betroffenen Schüler*innen Unterstützung suchten, wurde ihnen vorgeworfen, den Schulfrieden und das Schulimage zu gefährden.
Die stetig steigenden Zahlen rechter Gewalt können nicht losgelöst von den Debatten rechter Parteien im Parlament betrachtet werden, resümiert Gardi. Der Überbietungswettbewerb fast aller Parteien zu Einschränkungen der Asyl- und Einwanderungspolitik nach der Messerattacke in Solingen 2024 dürfte die Anfeindungen nicht gebremst haben, im Gegenteil.
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