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Zum Verfehlen schöne KlimazieleWut zur Lücke

Was ist schlimmer: Ein nicht gegebenes oder ein gebrochenes Versprechen? Womöglich das verlorene Vertrauen, meint unser Autor.

Ein Satz, den sich auch die Klimapolitiker der Industriestaaten hinter die Ohren schreiben sollten Foto: Yuen Man Cheung/imago

B ahnhof Blantyre, 7.02 Uhr: Aus dem Dunkel des schottischen Novembermorgens rumpelt unser blauer Vorortzug Richtung Glasgow an den Bahnsteig und bremst. Mit schrillem Piepsen öffnen sich die Türen und eine laute Stimme warnt: Mind the gap! In der Tat: Zwischen Waggon und Bahnsteig klafft eine Lücke, vielleicht 25 Zentimeter breit. Darunter gähnt dunkel das Fahrwerk. Da will man nicht reingeraten. Sonst kommt man hier furchtbar unter die Räder.

Womit wir mitten auf der Klimakonferenz wären. Wenn man sich bei diesen Treffen auf eines verlassen kann, dann sind es die Lücken, die sich überall auftun. Und darauf, dass wir uns an den unglaublichen Skandal gewöhnt haben, wie in der Klimakrise die ärmsten und verletzlichsten Menschen zu Schaden kommen.

Vor lauter „Gap-Reports“ verlieren wir schnell den Überblick, welches Ziel jetzt gerade wieder verfehlt wird. Faustregel: eigentlich jedes. Zum Beispiel bei den Emissionen: Um 1,5 Grad zu halten, muss der globale CO2-Ausstoß bis 2030 praktisch halbiert werden. Aber selbst bei superduperoptimistischen Berechnungen zeigt sich: Die Lücke zu einem solchen Pfad ist immer noch etwa 20 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr groß. Das sind nach Emissionen etwa 25 Deutschlands. Mir reicht schon eines.

Auch beim Geld: Mind the Gap! Statt 100 Milliarden US-Dollar für 2020 wie versprochen haben die reichen Länder nur 80 Milliarden an Finanzhilfen für den globalen Süden aufgebracht. Die Lücke soll bis 2025 geschlossen werden, aber das ist Zukunftsmusik und das Geld fehlt jetzt. Von der Wut zur Lücke ganz zu schweigen, die bei den Entwicklungsländern herrscht und die den Industrieländern bei den Gesprächen öfters um die Ohren fliegt.

Der Clou nicht gegebener Versprechen

Und noch weiter: In Paris wurde zugesagt, die Hilfen für die Anpassung an den Klimawandel mit den Geldern für den Klimaschutz „auszubalancieren“ – also etwa Deichbauten genauso zu finanzieren wie Windräder. Bislang machen sie aber nur ein Viertel der Summen aus. Klar, mit Windparks kann man Geld verdienen, mit Deichen eher nicht. Auch hier: eine Lücke nach der anderen. Ganz zu schweigen von Hilfen für „Verluste und Schäden“, die in den armen Ländern entstehen. Zynischer Nebeneffekt: Weil hier erst mal gar nichts versprochen wurde, kann auch kein Versprechen gebrochen werden.

All diese Vertrauensbrüche haben sich über die Jahre zu einem „Credibility Gap“ summiert, einer Vertrauenslücke. Unter dem Ergebnis leiden die armen Staaten, denen das zugesagte Geld fehlt. Aber auch die Industrienationen hätten es einfacher, wenn sie nicht dauernd daran erinnert würden, wie sie versagen.

Schließlich sind sie es, die ganz schön wählerisch sind, wenn sie Zuschüsse und Kredite vergeben. Immerhin kommt das Wort von „credere“, lateinisch für „glauben“. Aber der Kredit der Reichen ist hier schon lange verschwunden. Irgendwo in diesen vielen Lücken.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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