Zum Tod von Jovan Divjak: Ein Verteidiger europäischer Werte
Der bosnische Ex-General Jovan Divjak ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Menschenrechte und die Stärkung der Zivilgesellschaft waren ihm wichtig.
Zum ersten Mal traf ich ihn im Sommer 1993. In einem vor Granaten geschützten Keller waren er und sein Stab untergebracht. Hier empfing er auch Journalisten, die ihn, den „Serben“, unbedingt interviewen wollten. In Belgrad geboren, dort an der Militärakademie und in Frankreich 1964/1965 an der École d'État Major in Paris ausgebildet, lebte Divjak seit 1966 in Sarajevo. Der Krieg in Ex-Jugoslawien war eben kein Krieg einer Volksgruppe gegen eine andere, sondern ein Krieg serbischer Nationalisten gegen die multinationale Gesellschaft. Das konnte, wer wollte, von Divjak lernen.
Divjak hatte für den Oberbefehlshaber der serbischen Armee in Bosnien, Ratko Mladic und für Radovan Karadzic, den politischen Führer der serbischen Nationalisten, nur Verachtung übrig. „Wir verteidigen Sarajevo gegen den Faschismus, wir verteidigen die Zivilisation, die Werte Europas,“ sagte er damals. Seine Gegner Mladic und Karadzic wurden vom UN-Tribunal in Den Haag als Kriegsverbrecher zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Bis heute erkennt die breite serbische Öffentlichkeit die Verbrechen im Namen Serbiens vor allem gegenüber der muslimischen Bevölkerung nicht an. Kriegsverbrecher werden sogar als Helden verehrt. Jovan Divjak hingegen wurde von der serbischen Justiz beschuldigt, selbst Kriegsverbrechen begangen zu haben.
Festnahme in Wien
So soll er an einem Angriff von Bosniern am 3. Mai 1992 auf aus Sarajevo abziehende serbische Soldaten beteiligt gewesen zu sein, bei dem 42 Menschen umkamen. Unterschlagen wird – wie Filmaufnahmen und Aussagen von UN-Beobachtern beweisen – dass Divjak versuchte, Schüsse auf die Kolonne zu verhindern.
Trotzdem versuchte die serbische Justiz via Interpol Divjaks habhaft zu werden. Am 4. März 2011 wurde er in Wien festgenommen, verbrachte dort einige Monate, bis die österreichische Justiz die Anklage als haltlos fallen lies.
Nicht ins Weltbild der serbischen Seite passte auch, dass Divjak nach dem Krieg auf Konfronation zu der muslimischen Nationalpartei SDA ging. Er forderte vom damaligen Präsidenten Alija Izetbegovic, auch die Verbrechen der bosnischen Armee gegenüber serbischen Zivilisten in der belagerten Stadt selbst und in einigen Dörfern der Umgebung zuzugeben. Izetbegovic tat dies nicht. 1997 gab Divjak aus Protest seinen Generalstitel an Izetbegovic zurück.
Bei der Bevölkerung schadeten ihm all diese Konflikte jedoch nicht. Im Gegenteil. Wer mit ihm Jahre nach dem Krieg durch Sarajevo schlenderte, konnte erleben, wie er Hunderte von Händen schütteln musste. Ehemalige Soldaten, junge Leute, alte Mütterchen – sie allen wollten sich bei ihm bedanken.
Immer präsent
Divjak war Teil des Kulturlebens. Er fehlte bei keiner Dichterlesung, und kaum einer Theaterpremiere. Und er nutzte seine Beliebtheit, um Kontakte zu privaten und institutionellen Spendern für sein Waisenkinderprojekt aufzubauen.
Hunderte von Kindern aus allen Volksgruppen verdanken ihm ihr Überleben und ihre Ausbildung. Gleichzeitig war er auch ein bisschen stolz darauf, in die französische Ehrenlegion aufgenommen worden zu sein. Mehrere Städte, wie Grenoble, machten ihn zum Ehrenbürger. Sein Buch „Sarajevo mon amour“ fand vor allem in Frankreich große Beachtung.
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