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Zukunft am Berliner AlexanderplatzDer Poker der Commerz Real

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Entweder ZLB und Galeria oder gar nichts. Damit droht der Eigentümer des Galeria-Gebäudes dem Senat. Am Ende könnte der Investor aber leer dastehen.

Ein Schnäppchen wird die Rettung des Warenhauses durch die ZLB nicht werden Foto: Stephanie Pilick/dpa

E s ist schon dreist, wie unverblümt der Investor Commerz Real dem Berliner Senat droht. Entweder lässt sich die schwarz-rote Landesregierung ein auf eine „Kombination aus Galeria und ZLB, mit der Chance, den Alexanderplatz deutlich aufzuwerten“. Oder aber Commerz Real entwickelt ein „Warenhaus der Zukunft“. Ohne ZLB und nur mit ein bisschen Galeria als Resterampe.

Wer in den vergangenen Wochen hoffte, es könnte noch ein Happy End am Alexanderplatz geben, wird mit dem harschen Statement, das die Commerz Real am Mittwoch verschickte, eines Besseren belehrt. Im Grunde ist es eine Erpressung.

Einen Erhalt des Galeria-Warenhauses (auf 12.000 statt 36.000 Quadratmetern) wird es nur geben, wenn der Senat die Zentral- und Landesbibliothek ZLB im Bestandsgebäude und im derzeit in Bau befindlichen Hochhaus unterbringt.

Dass der Investor um die ZLB buhlt, ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass der Senat einen Standort sucht, der die beiden, aus allen Nähten platzenden und schwer sanierungsbedürftigen Teile der Bibliothek in der Breiten Straße in Mitte und der Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg unter einem Dach vereint.

Der begrabene ZLB-Traum von der Friedrichstraße

Die Idee des ehemaligen Kultursenators Joe Chialo (CDU), die ZLB im Gebäude der dichtgemachten Galeries Lafayette unterzubringen, ist längst vom Tisch. Dessen Besitzer Tishman Speyer lässt das ehemalige Kaufhaus in der Friedrichstraße zu Büros umbauen. Chialo konnte sich damals nicht durchsetzen, weil der Senat die Kosten von 600 Millionen Euro nicht tragen wollte.

Einen noch höheren Betrag verlangt nun die Commerz Real für eine Mietkauf- oder Kauf-Option am Alex. Im Gespräch ist eine Summe zwischen 700 Millionen und 1,2 Milliarden Euro. Wohl wissend, dass das Geld immer noch nicht da ist, dem Senat aber auch daran gelegen ist, die 350 Arbeitsplätze im Warenhaus zu retten.

Zuletzt hatte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) versucht, den Korridor für Verhandlungen aufrechtzuerhalten. Dafür sollte der im Februar 2026 auslaufende Mietvertrag von Galeria bis August verlängert werden. Commerz Real reagierte darauf mit einer Mietforderung an Galeria in Höhe von 4 Millionen Euro. Grund seien unterlassene Instandsetzungsarbeiten, etwa beim Brandschutz.

Ohne Verlängerung des Mietvertrags aber, das weiß auch Commerz Real, muss Galeria in Verhandlungen über die Auflösungen der Arbeitsverträge mit seinen Beschäftigten gehen. Das ist somit der Kern der Erpressung: Entweder eine (für den Senat eigentlich nicht zu stemmende) Einigung jetzt. Oder gar nichts.

Was ist ein Warenhaus der Zukunft?

Dieses „Gar nichts“ hat bei Commerz Real einen Namen: Warenhaus der Zukunft. In seiner Mitteilung schreibt der Investor: „Das Warenhaus in der bisherigen Form ist Vergangenheit. Mit unserem Ansatz definieren wir das Warenhaus neu und machen es zukunftsfähig.“

Tatsächlich verbirgt sich hinter dem schillernden Begriff nur einer der üblichen Mixed-Use-Konzepte. Also ein Mix von Einzelhandel im Erdgeschoss, Büros, Coworking und Entertainment. Ein Mix, wie ihn jeder Investor anstrebt.

Laut Commerz Real lägen dem Unternehmen bereits „diverse Interessensbekundungen von renommierten Anbietern“ vor. Da stellt sich dann doch die Frage, warum der Investor so sehr auf die ZLB als Ankernutzer pocht. Wäre die über eine Milliarde teure Entwicklung der Immobilie etwa ohne die Bibliothek unrentabel?

Vielleicht ist „Erpressung“ also nicht das richtige Wort. Wer erpresst, verspricht sich einen Vorteil, so oder so. „Poker“ wäre wohl der richtige Begriff. Wer pokert, kann am Ende mit leeren Händen dastehen.

Neben dem Verlierer Galeria, der während des Umbaus in jedem Fall ausziehen müsste, gäbe es einen weiteren: Commerz Real. Und die Wirtschaftssenatorin, die sich fragen muss, ob sie bei den Verhandlungen nicht ein wenig zu blauäugig war.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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