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Zugangskontrolle für die U-BahnAbhaken und auf Wiedervorlage

Die CDU wärmt eine sehr alte und aus Gründen erfolglose Idee wieder auf: Sie will den Zugang zur U-Bahn mit Schranken beschränken.

Hält auf und kostet: U-Bahn-Schranke in der Pariser Métro Foto: IMAGO / NurPhoto

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Claudius Prößer aus Berlin

taz | CDU-Fraktionschef Dirk Stettner trägt nicht nur gerne extravagante Anzüge, er hat auch extravagante Ideen. Wie diese: Drehkreuze oder Schranken sollen die Berliner U-Bahn vor dem Zugang von Menschen ohne Fahrschein – oder Fahrwunsch – schützen. Das funktioniere schließlich „in der ganzen Welt“, so Stettner, und es sei „gut für die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Stadt“. Ihm zufolge soll die neue Undurchlässigkeit Teil des Mobilitätskonzepts „Berlin 2035“ werden, das die Senatsverkehrsverwaltung aktuell zusammen mit der BVG erstellt.

Kleiner Scherz. Extravagant ist an dieser Idee nichts, jedenfalls nicht im Sinne von überraschend oder ungewöhnlich. Alle Jahre oder auch Jahrzehnte wieder ploppt der Vorschlag in der Berliner Verkehrspolitik auf, üblicherweise aus den Reihen der CDU. Aber weil es kein Vorschlag ist, der sich sinnvollerweise auf die Berliner Realität übertragen lässt, verschwindet er genauso zuverlässig wieder im Untergrund, um mal im Bild zu bleiben.

Natürlich hat Stettner Recht, wenn er darauf verweist, dass Schranken anderswo ein normaler Bestandteil von U-Bahn-Systemen sind. Nur auf das über mehr als 120 Jahre gewachsene Berliner Netz lässt sich das eben schlecht übertragen, will man nicht einen fast schon pharaonischen baulichen Aufwand betreiben.

Das fängt mit vielen alten Stationen an, die in Berlin nach einem ganz anderen Prinzip errichtet wurden als in Paris, London, Prag oder Moskau. Die Tunnel wurden offen gebaut und verlaufen direkt unter der Straße, die Zugänge befinden sich oft auf schmalen Verkehrsinseln. Insbesondere beim heutigen Fahrgastaufkommen setzt das voraus, dass der Strom der NutzerInnen möglichst ungehindert fließen kann. Barrieren verlangsamen zwingend diesen Fluss und benötigen deshalb großzügige Zwischenebenen, die es an vielen Bahnhöfen einfach nicht gibt.

Schmal ist eben nicht breit genug

Hinzu kommen Probleme mit dem Denkmalschutz, aber auch mit der Barrierefreiheit: von den Fahrstühlen, die meist – sinnvollerweise – vom öffentlichen Straßenraum direkt auf den Bahnsteig führen und somit nur schwer zu kontrollieren sind, bis zu notwendigen extrabreiten Schranken für Rollstühle oder Kinderwagen. Weil das Konzept „Drehkreuz“ beinhaltet, dass die einzelnen Durchgänge möglichst schmal sind, werden die überbreiten Türen in anderen Metropolen von Personal überwacht.

All das geht ins Geld, weshalb die von Stettner ins Spiel gebrachten 400 Millionen Euro so glaubwürdig sind wie der Kostenrahmen des BER zu Anfang des Jahrtausends. Der Fraktionschef hat auch schon durchblicken lassen, dass man im Zweifel eben die Ticketpreise ein bisschen erhöhen müsse, um das alles auszufinanzieren. Wie es mit dem bundesweiten Einheitspreis des Deutschlandtickets unter einen Hut zu bringen ist, bleibt sein Geheimnis.

Nicht überraschend – und der CDU-Mann müsste das eigentlich wissen – sind sowohl die BVG als auch der Fahrgastverband IGEB, die beide etwas von der Sache verstehen, klar gegen die Schrankenträume. Die Verkehrsbetriebe warnen vor einem „erheblichen baulichen, finanziellen und betrieblichen Aufwand“, und IGEB-Sprecher Christian Linow hält die Idee sogar für „fahrgastfeindlich“.

Er habe gerade in Warschau „vernichtende“ Erfahrungen mit dem dortigen U-Bahn-Zugängen gemacht, berichtet er – Stichwort: QR-Code-Scanner, die beim QR-Code-Scannen versagen, während sich hinter dem verhinderten Fahrgast eine Schlange bildet. Sicheren und sauberen U-Bahnhöfen kann Linow durchaus etwas abgewinnen, funktionieren würde seiner Ansicht nach aber nur eine stärkere Personalpräsenz.

Aufmerksame Augen und helfende Hände in jedem Bahnhof – das wär’s doch mal. Gab es ja auch früher schon, bis Berlin an den Rand der Funktionsuntüchtigkeit gespart wurde. Ob es irgendwann einmal wiederkommt, ist fraglich. Mit Sicherheit auf Wiedervorlage kommt dagegen die Drehkreuz-Idee der CDU.

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