Zugang zum Weltall: Portugal will spacig werden
Die Regierung in Lissabon will eine Abschussrampe für Satelliten auf den Azoren ansiedeln. Bewohner fürchten die Zerstörung der Insel Santa María.
Er verweist auf mehrere Studien, die das belegen sollen. Eine stammt von der Universität Austin im US-Bundesstaat Texas, eine andere von Airbus und eine dritte von der Europäische Weltraumagentur ESA, die ihre Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem portugiesischen Ingenieurbüro Deimos Engenharia und dem Entwickler für Raketen und Abschussrampen Orbex aus Großbritannien erstellte.
Der Space Port in Malbusca soll zusammen mit einer weiteren geplanten Anlage in Schottland einen Teil der Raketenstarts des einzigen europäischen Abschussrampe im französischen Guinea in Südamerika übernehmen. Malbusca sei geradezu ideal, preisen Studien und Regierung den Ort im Atlantik an.
Die Azoren liegen nur 1500 Kilometer von Paris entfernt, die Abschussrampe in Französisch Guinea 7.000 Kilometer. Santa Maria habe stabiles Wetter und ein freies Schussfeld für polare Umlaufbahnen nach Norden und Süden und für niedrige Umlaufbahnen nach Osten. 100 bis 200 Millionen Euro Investitionsvolumen verspricht sich Minister Heitor – „zum aller größten Teil aus privaten Quellen“. Das würde den Azoren wirtschaftlich nutzen, sagt er.
Opfer auf dem „Altar des Fortschritts“
Freilich sehen das nicht alle so. Auf den Azoren regt sich erster Widerstand. Der Anthropologe und Schriftsteller Paulo Ramalho ist einer derer, die sich Sorgen um die Insel machen. Zusammen mit anderen sammelt er Unterschriften im Netz. Die Gegner fürchten um das „fragile Gleichgewicht der Umwelt“, sehen eine Gefahr für die Sicherheit der 5.500 Einwohner der gerade einmal 97 Quadratkilometer kleinen Insel Santa Maria sowie um den Tourismus.
Die Insel ist eine geschützter Geopark und gilt als eines der Urlaubsziele für diejenigen, die gerne guten Gewissens an einen Ort fahren, der auf Nachhaltigkeit setzt. Jetzt laufe Santa Maria Gefahr „industrialisiert zu werden“, erklärt Ramalho. „Sie verlangen von den Bewohnern, dass sie ihre Insel auf dem Altar des Fortschritts opfern, dass sie im Namen der höheren Interessen Portugals zerstört wird“, schreibt Ramalho in einem langen Meinungsartikel in der Regionalzeitung Diário dos Açores.
Ramalho will wissen, wie viele Abschüsse der bis zu 17 Meter hohen Raketen pro Jahr geplant seien. Zwölf, lautet die offizielle Antwort. Dass es dabei bleibt, ist mehr als unwahrscheinlich. Denn der Bedarf an Satellitentransporten steigt ständig. Alleine im Vorjahr wurden laut Deimos über 320 Kleinsatelliten in den Weltraum befördert. Airbus – Safran Launchers, das wichtigste Unternehmen im Sektor, plant jährlich mindestens 200 Operationen.
Minister Heitor lässt sich durch die Proteste nicht beirren. Er setzt weiterhin darauf, dass Portugal in Sachen Weltraum schon bald mit China und den USA im direkten Wettbewerb um Satellitentransporte stehen könnte. Ein Weltraumgesetz soll noch vor Jahresende durchs Parlament gebracht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung