Zufriedenheit mit dem US-Präsidenten: Dreimal Thomas für Trump
100 Tage ist Donald Trump nun US-Präsident. Sind seine Wähler zufrieden mit dem, was er abliefert? Ein Besuch in West Virginia.
Früher hatte Thomas Reynolds, der Chef, jeden Tag zwischendurch Leerlauf. Jetzt ist seine Werkstatt ständig ausgelastet. „Die Leute haben Vertrauen in Trump“, sagt der 41-Jährige, „sie geben mehr Geld aus.“
Drei Generationen von Reynolds, von der jede einen neuen Thomas hervorbringt, arbeiten in „Triple T“ zusammen. Wie viele andere Familien im County haben auch sie ein zweites Standbein in der Landwirtschaft, Schweine, Kühe, Bienen. Und sie wollen in die Hühnerzucht einsteigen. Die Schweinswürste, die Marmeladen und die eingemachten Bohnen sind für den Eigenbedarf. Der Honig ist für den Markt, genau wie die Brathühnchen und das Kalbfleisch, die zu West Virginias wichtigsten landwirtschaftlichen Produkten geworden sind.
Im vergangenen November haben die Reynolds für Donald Trump gestimmt wie fast alle hier im Hardy County, 75,5 Prozent. Der Kontrast zwischen ihrem Landkreis, wo das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen eines Haushalts bei 31.000 Dollar liegt, und dem Milliardär aus dem vergoldeten Hochhaus in New York könnte kaum größer sein. Aber nachdem sie acht Jahre lang intensiv Barack Obama gehasst hatten, übertrugen sie dieses Gefühl auf Hillary Clinton und setzten alle Hoffnung in Trump. Von ihm erwarten sie neue Jobs, Einfuhrzölle, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko und massenhafte Abschiebungen.
Schuld sind die anderen
100 Tage nach Trumps Amtsantritt ist nichts davon gekommen. Zwar unterschreibt der Präsident ein Dekret nach dem anderen, doch seine großen Wahlversprechen konnte er bislang nicht umsetzen.
Doch dafür machen die Wähler in Hardy County nicht den Präsidenten verantwortlich. „Der Kongress, die Demokraten und die Republikaner blockieren ihn“, sagt Thomas Reynolds. Das Einzige, das er Trump wirklich übel nimmt, sind dessen „kindische persönliche Vendettas“, die Rachefeldzüge auf Twitter. Bei seinen eigenen drei Kindern und vier Stiefkindern versucht der Automechaniker, so etwas abzuerziehen. Aber er glaubt nicht, dass das bei einem 70-Jährigen möglich ist: „Ein alter Hund lernt keine neuen Tricks.“
Sein 14-jähriger Sohn, der sich als „Thomas III.“ vorstellt, hört mit ernstem Gesicht zu. Wie auch sein Vater und seine Großmutter wirkt er älter, als er ist. Die Hände vergräbt er tief in den Hosentaschen. In der Schule mag er das Fach Geschichte – „Kriege und so“ –, seinen ersten Bären hat er lange vor dem Stimmbruch erlegt, und sein Lieblingsauto ist dasselbe wie das seines Opas, Thomas I.: ein 67er Chevrolet Chevelle.
Hardy County in West Virginia liegt gerade mal 280 Kilometer westlich der US-Hauptstadt Washington. Aber es ist eine andere Welt. Wenn hier Autos zur TÜV-Kontrolle kommen, werden ihre Schadstoffabgaben nicht getestet. In Bars ist weiterhin das Rauchen gestattet. Und Thomas Reynolds schwärmt davon, dass niemand ihn daran hindert, mit einem Gewehr über die Straße zu gehen. „Ich kann hier jagen und fischen, so viel ich will“, sagt er. Connie, die Matriarchin der Reynolds, ergänzt: „Wir haben wunderbare Weiden, Berge, Tiere, ein kleines Stück Himmel.“
Die 60-Jährige mit der Raucherstimme leitet bei „Triple T“ das Büro. Auf ihrem Schreibtisch liegt eine blaue Decke, die sie für Enkel Nummer zehn häkelt, der im Mai auf die Welt kommt. In der einzigen sorgfältig dekorierten Ecke ihres Büros hängen einige Familienfotos und – ordentlich auf einem schwarzen Stoff befestigt – metallene Abzeichen von Sheriffs, Gefängniswärtern und Plantagenpolizisten, Sticker des Ku-Klux-Klans und einer, auf dem zu lesen ist: „Nur für Negerfrau oder -kind“. Für Connie sind das ganz normale Sammlerstücke. Dass sie jemandes Gefühle verletzen könnten, hält sie für ausgeschlossen. „Die Sklaverei war brutal“, sagt sie, „aber wir können sie nicht einfach unter die Decke kehren.“
Faule und andere Feindbilder
In dem Büro von „Triple T“ klingt es stellenweise, als wäre die Zeit stehen geblieben. Die Bevölkerung in West Virginia ist zu mehr als 93 Prozent weiß. Anders als in den Nachbarstaaten mit ihren großen Plantagen, die von Sklavenarbeit lebten, gab es hier vor allem kleinere landwirtschaftliche Betriebe und Holzfällerei.
Auch Thomas Reynolds geniert sich nicht, das anderswo verpönte N-Wort in den Mund zu nehmen. Er benutzt es als Synonym für Faulenzer. „Ich kenne auch weiße Nigger“, sagt er. Seine Mutter meint, dass die sogar in ihrer eigenen Familie vorkämen. Seine Tochter, die 18-jährige Dakota, die die US-Fahne auf ihren Cowgirl-Stiefeln trägt, steuert eine Geschichte von ihrer Arbeit bei, sie sitzt im Supermarkt einer Nachbarstadt an der Kasse. Sie habe dort Kunden, sagt Dakota, „die arbeitsfähig sind, aber mit Lebensmittelmarken bezahlen und größere Autos fahren als die Leute aus der Arbeiterklasse“.
Für Thomas Reynolds sind auch Gewerkschaften ein Feindbild. Den gesetzlichen Mindestlohn von 8,75 Dollar pro Stunde hält er für zu niedrig, gewerkschaftlich ausgehandelte Löhne von über 20 Dollar aber auch für übertrieben. „Das treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe.“
Damit solche Dinge aufhören, haben die Reynolds also Trump gewählt. Die Mutter will, dass jeder arbeitet, der dazu in der Lage ist. Und der Sohn möchte „alle Illegalen abschieben“. Er hat die Hühnerfabrik im Moorfield im Verdacht, die in drei Schichten rund um die Uhr arbeitet und Fast-Food-Restaurants in den Großstädten beliefert, der wichtigste Steuerzahler im County. Beweise hat er keine. Wohl aber seine eigene Erfahrung vom Straßenbau: „Wenn die Kontrolleure von der Einwanderungsbehörde kommen, tauchen die Illegalen ab.“
Das perfekte Paar, das sagten die Freunde. Sie liebten sich, aber er hatte keine Lust mehr, mit ihr zu schlafen. Wie liebt es sich ohne Sex? In der taz.am wochenende vom 28./29. April erzählen die beiden ihre Geschichte. Außerdem: Im Ruhrgebiet werben SPD und AfD um die gleichen Wähler. Und: Superfood ist der neue Fetisch der jungen Spießer. Wieso der Trend jetzt bald zu Ende ist. Das alles am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo
In Baker, mit seinen nicht einmal 1.300 Einwohnern, kennt jeder jeden. Und jeder weiß, wie der andere gewählt hat. Die wenigen Trump-Gegner in der Gemeinde halten vorsichtshalber mit ihren Ansichten hinter dem Berg. Aber die 30-jährige Heather Thompson ist neu im County. Sie ist erst vor ein paar Monaten mit Mann und Kind aus Virginia zugezogen, um näher bei ihrem Vater zu leben. Sie sitzt am Tresen der „Broken Spoke“-Bar, von „Triple T“ zwei Biegungen auf der State Road entfernt. Die Wand hinter ihr ist mit Planwagen, Pferden und Siedlern auf dem Weg nach Westen bemalt.
Es gibt schon erste Risse
Wenn sie von der Angst vor einem Terroranschlag hört und von Trumps Politik gegen Menschen aus islamischen Ländern, hält sie dagegen, dass der „Muslim-Bann ein perfektes Werbemittel für den IS ist“. Und auf die Hoffnung, dass Trump Jobs zurück in die USA bringen werde, kontert sie, dass er sogar seine Werbemützen mit der Aufschrift „Make America Great Again“ in China produzieren lässt. Die Leute hier nennen sie ein „verrücktes Mädchen“.
Doch in die Harmonie zwischen den Wählern in Hardy County und Trump sind bereits erste Risse gekommen. In dem County, das noch in den 90er Jahren demokratisch wählte, gelten in sozialer Hinsicht andere Werte als bei Trump. Die Wähler meinen es ernst mit neuen Arbeitsplätzen, sie finden mehrheitlich, dass eine Krankenversicherung für alle Bürger richtig ist, und die von Trump vorgeschlagene Steuerreform löst Kritik aus. „Das sind viel zu viele Steuereinsparungen für große Konzerne“, moniert Thomas Reynolds.
Auch was die Außenpolitik angeht, ist er unzufrieden. Russland und Trumps mögliche Verbandelung mit Putin interessieren ihn und die anderen hier nicht so sehr. Aber die militärischen Abenteuer. Für die 59 Marschflugkörper auf einen syrischen Militärflughafen macht Thomas Reynolds Expräsident Obama verantwortlich: Wenn der rechtzeitig reagiert hätte, wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Zum Abwurf der „Mutter aller Bomben“ über Afghanistan hat er noch keine Meinung. Aber in Nordkorea haben die USA seiner Ansicht nichts zu suchen. „Die haben uns nicht angegriffen, da sollten wir zum Teufel draußen bleiben.“
Thomas II., der Werkstattchef, und seine Familie werden weiter genau verfolgen, was der Präsident macht. Die Jüngeren im Internet, die Älteren bei Fox News. „Ich gebe Trump vier Jahre“, sagt er. „Falls er bis dahin seine Versprechen nicht einlöst, wählen wir ihn ab.“
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