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Zu enge Einzelkäfige für SauenTierschutzbund will Verbot

Wieder hat der Bundesrat die Regeln für breitere Sauenkäfige verschoben. Nun verlangen Tierschützer, das Verbot zu enger Gestelle durchzusetzen.

So viel Platz sollten eine Sau und ihre Ferkel mindestens haben Foto: Fritz Rupenkamp/imago

Berlin taz | Der Deutsche Tierschutzbund will nicht mehr auf eine Reform der Regeln für Sauen-Käfige warten. „Unsere Geduld ist am Ende. Wir fordern jetzt den sofortigen Vollzug des geltenden Rechts“, teilte Verbandspräsident Thomas Schröder mit.

Bei einem Treffen am Dienstag hatten sich Bund und Länder nicht über die Reform der Regeln für Sauen-Käfige geeinigt, die Verabschiedung der Vorschriften im Bundesrat wurde erneut verschoben. Gemäß der geltenden Verordnung sind die meisten, „Kastenstände“ genannten Käfige derzeit illegal, weil sie so eng sind, dass in ihnen die Schweine ihre Beine im Liegen nicht ausstrecken können.

Da die Amtsveterinäre die Ställe seit 30 Jahren unbeanstandet gelassen hätten, müssten Bund und Länder gegebenenfalls den Landwirten Schadensersatz zahlen, verlangte Schröder. „Die Bauernmilliarde als Unterstützung zur Umsetzung der Dünge-Verordnung war haushaltstechnisch ja auch kein Problem. In der gleichen Größenordnung Geld für einen tiergerechten Umbau der Ställe zur Verfügung zu stellen, sollte also hier und jetzt auch machbar sein“, so der Tierschützer.

Bund und Länder hätten am Dienstag keine Einigung erreicht, berichtete das Fachblatt top agrar. Kommende Woche werde der Bundesrat daher keine Entscheidung über die Nutztierhaltungsverordnung fällen. Der bisher anvisierte Termin am 13. März sei auf den 15. Mai verschoben worden, schrieb das Magazin unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Es seien noch weitere Fragen zu bearbeiten, hieß es. Schon Mitte Februar hatte der Bundesrat die Abstimmung über die Nutztierhaltungsverordnung wegen Differenzen insbesondere zur Sauenhaltung kurzfristig verschoben.

Käfige sollen künftig breiter sein

Die Länder wollen demnach, dass die Tiere im Kastenstand ihre Gliedmaßen in Seitenlage uneingeschränkt ausstrecken können. Das würde bedeuten, dass die Käfige künftig deutlich breiter sein müssen als im Verordnungsentwurf von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) vorgeschlagen. Vor allem den Ländern mit Regierungsbeteiligung der Grünen ist zudem die bisher geplante Übergangsfrist für das Inkrafttreten der Verordnung von 15 bis 17 Jahren zu lang.

Die 1,8 Millionen Sauen in Deutschland werden meist monatelang in Metallgestellen gehalten, die nur etwa so groß wie das Schwein sind. Es kann sich nicht umdrehen und sich nur langsam hinlegen. Dies hat den Vorteil, dass die Jungtiere nicht so leicht erdrückt werden. Zudem erleichtert der Kastenstand dem Personal den Überblick, zum Beispiel, welche Sau schon besamt ist. Das Metallgestell spart auch Platz, denn außerhalb des Käfigs ist mehr Bewegungsfreiheit vorgeschrieben.

Tierschützer kritisieren jedoch, dass die Kastenstände oft Geschwüre im Schulter- und Hüftbereich verursachten. Es sei Tierquälerei, die Sauen ohne Kontakt zu Artgenossen und ohne Möglichkeiten zu halten, herumzulaufen, ihren Erkundungstrieb auszuleben oder sich zu suhlen. Wenn Sauen genug Platz hätten, würden ohne Kastenstand auch nicht wesentlich mehr Ferkel erdrückt werden.

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erlaubt Kastenstände zwar für einen begrenzten Zeitraum. Aber seit 1992 ist laut Verordnung vorgeschrieben, dass „jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“.

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt verlangte deshalb 2015, dass der Kastenstand entweder mindestens so breit wie das stehende Schwein hoch ist oder ermöglichen muss, die Gliedmaßen ohne Behinderung in benachbarte leere Käfige zu stecken. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 2016 das Urteil aus Sachsen-Anhalt.

„Für kleine Betriebe nicht machbar“

Kastenstände wie vom Gericht gefordert „sind kaum anzutreffen“, räumt das Agrarministerium in der Begründung seines Verordnungsentwurfs ein. „Praxisüblich sind derzeit Kastenstände mit einer Breite von 65 cm (Jungsauen) bzw. 70 cm (Sauen) und einer Länge von 200 cm, wobei in regional unterschiedlichem Ausmaß auch schmalere Kastenstände verbreitet sein können.“ Die durchschnittliche Sau hat aber Wissenschaftlern zufolge eine Körperhöhe von 90 cm. Demnach müsste der Kastenstand ebenso breit sein.

Klöckners Ministerium teilte der taz auf Anfrage mit, dass der Verordnungsentwurf den Tierschutz deutlich verbessern würde. Schließlich würden die Fixierzeiten erheblich verkürzt und die Kastenstände vergrößert. Kürzere Übergangsfristen wären „gerade für kleine Betriebe nicht machbar, ohne sie damit vor unlösbare finanzielle Schwierigkeiten zu stellen“, so das Ministerium. „Es ist wichtig, die Produktion in Deutschland zu halten und weitere Strukturbrüche zu vermeiden – denn nur in Deutschland haben wir konkrete Einflussmöglichkeiten auf die Haltungsbedingungen und somit das Tierwohl.“

Die Kastenstände würden künftig so breit sein, dass „die Tiere normal aufstehen und sich hinlegen sowie in Seitenlage liegen können.“ Sie dürften aber auch nicht so breit sein, dass sich die Sauen umdrehen und dabei verletzen können.

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7 Kommentare

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  • @Herr Maurin:

    "(...) Wenn Sauen genug Platz hätten, würden ohne Kastenstand auch nicht wesentlich mehr Ferkel erdrückt werden.(...)"

    Es wäre zum Verständnis für die ausserlandwirtschaftlichen Leser sinnvoll, wenn genauer zwischen "Abferkelbucht" und "Kastenstand" für "leere", nieder- und hochtragende Sauen getrennt würde.

    Der Kastenstand („Fressliegebucht“), in denen Sau, 24h und 70cm, neben Sau steht, oder eben mit nicht ausgestreckten Gliedern - wenn alle Sauen gleichzeitig schlafen wollen - liegt, halte ich ich für grundsätzlich verzichtbar. Zumindest müsste keine Sau in so einem Ding komplette Tage verbringen oder sogar darin übernachten. Die Gruppenhaltung von „leeren“ und tragenden Sauen ist in der Praxis kein Hexenwerk und war es noch nie.



    Dafür sollten grosszügige, in Teilbereichen eingestreute, Bewegungs- und Gruppenräume hinter den Kastenständen (welche dann nicht mehr als "Fressliegebuchten sondern nur noch als Fresstände mit der Möglichkeit der Kurzzeitfixierung fungieren würden) vorhanden sein. Ideal wären dazu noch zusätzlich Außenausläufe in Terrassen oder Paddocks. Wenn sich dann die eine oder andere Sau zwischendurch freiwillig in die ausserhalb der Fresszeiten ansonsten leeren Stände legt, was sie durchaus manchmal ganz gerne tun, wäre das dann ja auch ok.

    Bei den Abferkelbuchten ist es kniffeliger, zumindest wenn die Saugferkel klein und noch nicht sicher auf den Beinen sind und das Verhalten ihrer Mutti noch schlecht einschätzen können, also in den ersten zwei Wochen bietet diese schon erheblichen Schutz. Hier kann die Sau ihre Füße ja auch nach dem Ablegen zur Seite durchstrecken.

    Ein Kompromiss wäre hier die Kombibucht, in der nach spätestens 14 Tagen der Ferkelschutzkorb hochgeklappt würde.

    @Traverso:



    Sie haben Ihr Herz auf dem richtigen Fleck und mir ist es bewusst, dass das Ringen um praktikable Verbesserungen in der Nutztierhaltung nicht das ethische Grundproblem des "Tiere essens" auflöst, dennoch ist es m.A. nach notwendig.

    • @Waage69:

      Verbesserungen sind immer ein richtiger Schritt und insofern notwendig.



      Danke für die netten Worte an mich.



      Ein schönes Wochenende Ihnen.

  • Würden wir Menschen unsere lieben Hauskätzchen, Hunde, Meerschweinchen, Reitpferde, die ganzen lieben Zootiere usw. genauso halten und zum frühen Tode verurteilen wie Schweine und andere Nutztiere in ihren erbärmlichen industriellen Gefängnissen ?



    Niemals !



    Keiner würde dies über`s Herz bringen. Jeder, außer er ein Sadist, würde eine solche Behandlung zu Recht als ein grausiges Verbrechen verurteilen.

    Warum werden wir bei Nutztieren zu Sadisten, diskutiern lediglich die ewig gleichen Rechtfertigungen dieser Tierquälereien ?



    Weil wir wieder jeder Vernumpft und Wissen Nutztiere zu unwertem Leben erklären, zu Objekten, zur Ware. Nur noch wirtschaftliche Gesichtspunkte zählen, im besten Falle werden die Tierquälereien ein bisschen minimiert, wie der Artikel beschreibt.



    Ausnahmslos alle Gewalt in dieser Welt basiert darauf, daß wir andere Lebewesen zu niederen Geschöpfen erklären. Bei Menschen und Tieren.



    Die Hoffnung ist, daß letztendlich alle aufgeklärten Menschen dieses narzistische Überlegenheitsdenken nicht mehr wollen.



    Menschen- und Tierrechtsbewegungen dienen dieser Aufklärung.

    • @Traverso:

      Ihre Kommentare, immer wieder überragend! Was liest sich aus ihnen heraus: Empathie, Mitgefühl, Intelligenz! VIELEN Dank dafür!!!😊😊😊

      • @Unbequeme Wahrheit:

        Oh, auch vielen Dank Ihnen !



        Wichtig ist ein nachgewiesenes Unrecht darzustellen.



        Wie Sie ja auch immer wieder sehr gut mit Zahlen und starken Argumenten belegen.



        Ein schönes Wochenende !

        • @Traverso:

          Gerne! Ja, Sie haben ABSOLUT Recht, es ist wichtig, Unrecht darzustellen, denn dieses Unrecht sind unfassbare und unsägliche Verbrechen. Und, diese Verbrechen werden nicht mal "nur" jährlich Abermilliarden Tieren angetan, sondern, als Folgen, Milliarden hungernden und Abermillionen verhungerten Menschen und dem ganzen Planeten. Ein Verbrechen sondersgleichen und unvorstellbar gigantischen Ausmaßes. Somit kann nicht oft genug darauf mahnend aufmerksam gemacht werden... ja muss als Pflicht eines jeden empathischen und intelligenten angesehen werden. Wenn diese unsäglichen Verbrechen nicht schnellstens ein Ende finden (Zusammenbruch aller Tierqualindustrien), wird die Biosphäre dieses Planeten zusammenbrechen, und nicht irgend wann, sondern bereits kurzfristig! Alles Gute Ihnen und viel Kraft im Kampf gegen die Verbrechen und Folgen der Tierqualindustrien und deren Auftraggeber!

  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    kurz gesagt, lautet das Argument: "Wenn wir die Sauen nicht quälen, machen es andere."

    Erbärmlich!