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Ziviler Ungehorsam für das KlimaKein Familienevent

In der Lausitz und im Leipziger Land besetzte das Bündnis „Ende Gelände“ erneut Tagebaue und Bahnanlagen. Was treibt die Aktivist:innen an?

Klimaaktivist:innen blockieren Gleise in Jänschwalde Foto: Christian Mang/reuters

Es ist fünf Uhr morgens im Warteraum eines Bahnhofs in Dresden. Neben schlafenden Clubgängern sammeln sich unübliche Gäste: Klimaaktivist:innen mit Wanderrucksäcken und Isomatten auf den Schultern, die angespannte Blicke wechseln. Wohin sie heute ziehen, weiß keiner genau, aber jeder von ihnen stellt sich auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Einsatzkräften der Polizei ein.

Seit 2015 sorgt „Ende Gelände“ regelmäßig für Schlagzeilen. Mit mehreren tausend Teilnehmer:innen besetzte das Aktionsbündnis Tagebaue, Kraftwerke oder Bahntrassen. Im vergangenen Jahr protestierte „Ende Gelände“ gegen die Rodung des Hambacher Forsts, dieses Jahr zog es die Aktivist:innen in den Osten der Republik – die Lausitz. Ihr Ziel: den Kohleabbau stoppen. Für Sina Reisch, Pressesprecherin von „Ende Gelände“, steht aber noch mehr hinter den Aktionen: „Wenn ich mit meinem eigenen Körper eine Unrechtssituation verhindert habe, das macht etwas mit mir.“ Die Aktionen würden zur demokratischen Bildung beitragen, so Reisch. Mit den Besetzungen habe Ende Gelände es geschafft, das Thema in die Medien zu bringen, das Wort Kohleausstieg etwa sei erst durch die Bewegung im öffentlichen Bewusstsein angekommen.

Ankunft in Brandenburg. Hunderte Kohlegegner:innen strömen aus dem überfüllten Regionalzug in Maleranzügen und Staubmasken. Sie laufen durch den verschlafenen Landstrich an der Spree südöstlich von Cottbus vorbei an menschenleeren Auenlandschaften und einem verlassenen Flugplatz. Bunte Rauchschwaden von Pyrofackeln tauchen die Lausitzer Wälder in gespenstischen Nebel. Erst kurz vor dem Ziel wird klar, wohin die Reise geht: Auf Kommando stürmen hunderte Protestierende die Bahngleise der Lausitzer Kohlebahn. Stundenlang werde sie dort ausharren.

Gefahr in der Luft

Und wie der beißende Pulvergeruch der Pyrotechnik liegt auch die Gefahr in der Luft, verhaftet zu werden. Ende Gelände setzt auf zivilen Ungehorsam. Den Boden der Legalität zu verlassen, liegt für das Bündnis in der Natur der Dinge. Sina Reisch nennt es „Vergemeinschaftung mit unseren Körpern“. Es sei extrem wichtig, Regeln zu brechen, wenn sie „Quatsch“ seien, fügt sie an. Viele der Anti-Kohle-Aktivist:innen mussten den Preis für diese „Vergemeinschaftung“ schon vor Gericht zahlen.

taz Panter Workshop

Dieser Text entstand im Rahmen des taz Panter Workshops „Klima retten“. Die vier Sonderseiten

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Die Klima-Aktionen von „Ende Gelände“ sind keine mainstreamtauglichen Familienevents. Wörter wie „Enteignung“ dürften einigen AkteurInnen bei Bewegungen wie Fridays for Future sauer aufstoßen. Trotzdem müsse man „auch mit Unterschiedlichkeiten zusammenarbeiten“, betont Sina Reisch. Schließlich wirke man auch in die Bewegung hinein und Fridays for Future ist in ihren Augen eine jener Massenbewegungen, auf die sie noch vor wenigen Jahren nur hoffen konnten. Ende Gelände – die linke Avantgarde der Klimabewegung?

Lokalrunde Ende Gelände

4.000 Klimaaktivist*innen haben in der Lausitz und im Leipziger Revier Kohlegruben blockiert. Trotz Demoverboten, feindlichen Anwohnern sowie drohenden Nazis und Polizisten war die Aktion für die Bewegung ein voller Erfolg. Wie ist das gelungen? Interview mit Ende Gelände-Sprecherin Nike Mahlhaus im taz Podcast Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin.

Vor Ort halten sich die Sympathiebekundungen für die Kohlegegner:innen in Grenzen. Aus Koppatz, einem 200-Einwohner-Ort direkt nebenan, kommen einige schaulustige Bewohner an die Gleise. Es ist nicht das erste Mal, dass die Aktivisti:innen von Ende Gelände hier sind. Schon 2016 gab es eine Aktion in der Lausitz. Die Koppatzer beschweren sich: Die Demonstrat:innen würden nur Gewalt bringen, meinen die Dorfbewohner. „Für die Idioten braucht man künstliche Intelligenz!“, sagt einer zornig.

Gerüchte kursieren über Sabotageaktionen, die Kohlegegner:innen hätten versucht, Züge entgleisen zu lassen. Belege für die Verdächtigungen sucht man vergebens. Aber sie sind ein Hinweis darauf, wie sehr sich viele Bürger:innen vor Ort gegen Ende Gelände sträuben. Die Region hängt wirtschaftlich am schmutzigen Brennstoff Kohle, frisch noch sind die Erinnerungen an die Umwälzungen nach der Wiedervereinigung – und schmerzlich.

Wie also zugehen auf die Menschen in den Kohlerevieren? Eine Frage, auf die auch Ende Gelände keine abschließende Antwort hat. In einem offenen Brief an die Arbeiter:innen der Kohleindustrie heißt es: „Auch wir wollen nicht, dass die Lausitz ein weiteres Mal abgehängt wird“, die Region könne „mehr als nur Kohle“. Ein Gesprächsangebot? Fraglich ob, die Lausitzer darauf eingehen werden. Die Fronten sind verhärtet.

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4 Kommentare

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  • Jede und jeder kann bei Ende Gelände mitmachen! Es ist längst nicht so gefährlich, wie es immer aussieht! Vor jeder Aktion werden Trainings angeboten, die jeden Menschen sehr gut vorbereiten! Man findet sich leicht in Gruppen zusammen, die Sicherheit geben.

    Wer keinen Kontakt mit der Polizei mag: es gibt auch viele, viele andere unentbehrliche Aufgaben, die nebenbei in einer Blockade erledigt werden müssen und ohne die eine Aktion unmöglich wäre.

    Also bloß nicht abschrecken lassen. Ende Gelände ist ein wunderbarer und verdammt wichtiger Zusammenschluss von Menschen. 2020 geht es weiter. Ich bin dabei. Wir sollte es alle sein!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Kakaobutter:

      Ich bin ein großer Freund von Ende Gelände.

      Aber dass jede und jeder mitmachen kann, das stimmt so nicht.

      Für Menschen ab einem gewissen Alter, für Menschen mit Handicap oder für solche wie mich, die Angehörige pflegen, geht es eben nicht.

      Aber das ist OK, die Jugend nach vorn.

      Davon abgesehen habe ich in meinem Leben schon alles blockiert, was nicht bei drei auf den Bäumen war.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Natürlich können zeitlich absolut Verhinderte nicht mitmachen.

        Aber beim Handicap und bei alten Menschen muss ich Ihnen widersprechen. Es gibt auch den "bunten Finger", wo z.B. Rollstuhlfahrer mitmachen, auch Kinder und Ältere sind dabei.

        Die blockieren ebenfalls, aber "nur" z.B. Straßen, womit Repressionen der Polizei sehr viel schwächer ausfallen. Gewalt ist da meist kein Thema.

        Und jeder (auch Alte) kann sich schließlich bei der Logistik beteiligen und bei anderen Aufgaben, die nicht direkt in einer Aktion durchgeführt werden.

        Ende Gelände ist sehr inklusiv und will es jedem Menschen ermöglichen, mitzumachen. Denn die Folgen eines "Weiter so" in der Klimapolitik betreffen schließlich ebenfalls jeden Menschen.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Kakaobutter:

          OK, das ist natürlich cool.

          Im Grunde genommen war das ja früher auch schon so oder so ähnlich.

          Vor allem, wenn die Bevölkerung vor Ort betroffen war, wie etwa an der Startbahn, im Wendland oder in Wackersdorf, dann war die Altersstruktur auch durchwachsen.

          Und die Aufgaben entsprechend verteilt.

          Ich sehe gerade, es gibt sogar eine Packliste. Dann hat der Fortschritt hier auch nicht halt gemacht.

          Meinen Lieblingsspruch habe ich auch gefunden:

          A-A-Anti-FOSSILista!

          Jetzt muss ich nur noch Leiberg überzeugen.