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Ziviler Premier in Mali gefeuertDie Militärjunta wird radikaler

Nach unüblich deutlicher Kritik an der politischen Entwicklung wird Übergangspremier Choguel Maïga entlassen. Die zivile Politik ist nun ausgebootet.

Choguel Maiga bei seinem letzten Auftritt als Premierminister von Mali, 20. November auf einem Kulturfestival in Ségou Foto: Nicolas Remene/Le Pictorium Agency via ZUMA/dpa

Berlin taz | Gut vier Jahre nach dem Sturz der gewählten zivilen Regierung Malis ist die Militarisierung des malischen Staates komplett. Der bisherige zivile Premierminister Choguel Maïga wurde am vergangenen Mittwoch von Staats- und Armeechef General Assimi Goïta abgesetzt und durch General Abdoulaye Maïga ersetzt. Der neue Regierungschef, zuvor als Minister für Territorialverwaltung eines der bekanntesten öffentlichen Gesichter der herrschenden Militärjunta, hat seitdem auch Vertraute auf Schlüsselposten gesetzt.

Choguel Maïga war der höchstrangige Zivilist in Malis Militärregierung. Er kam aus der zivilen Protestbewegung M5-RFP (Bewegung des 5. Juni / Sammlung der Patriotischen Kräfte), die mit ihren Demonstrationen gegen den gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta den Militärputsch, den damaligen Oberst Goïta im August 2020 befördert und begrüßt hatte.

Goïta sicherte sich im Mai 2021 mit einem zweiten Militärputsch die volle Macht, verschob dann die für 2022 versprochenen Wahlen erst auf spätestens März 2024 und später erneut auf unbestimmte Zeit. Während die zivile Protestbewegung längst wieder in Opposition steht, war Maïga der Junta treu geblieben. Ihr antiwestlicher Kurs, der die „nationale Souveränität“ betont, stößt nach wie vor auf breiten Zuspruch in Mali, aber sie agiert zunehmend repressiv.

Choguel Maïga hatte als Premierminister zuletzt mehrfach die ungeschriebenen Grenzen erlaubter Kritik in Mali überschritten. So gab er Anfang November bekannt, er höre jeden Tag anderthalb Stunden lang „Westmedien“ wie BBC, RFI oder VOA, angeblich um über deren „Manipulation“ auf dem Laufenden zu bleiben, aber auch, „um mich darüber zu informieren, was man mir vorenthält oder was man in Mali ohne mich macht“. RFI ist in Mali offiziell verboten.

„Es gibt keinerlei Debatte“

Am 16. November sagte Maïga vor M5-RFP-Aktivisten, die von ihm geführte Übergangsregierung sei von „Konfusion“ geprägt und das Land brauche endlich eine „Klärung“, wie der laufende „Übergang“ enden soll. „Es gibt keinerlei Debatte über diese Frage“, sagte er und seine eigene Arbeit so charakterisiert: „Der Premierminister ist darauf reduziert, sich mit Gerüchten in der Presse zufriedenzugeben oder mit einer riskanten Interpretation der Taten und Gesten des Ministers für Territorialverwaltung.“

Vier Tage später übernahm eben jener Minister, General Abdoulaye Maïga, Choguel Maïgas Amt. Der geschasste Premier reagierte mit einem weiteren zynischen Spruch über sich selbst in der dritten Person: „Ah, ich habe soeben erfahren, dass der Premierminister seines Amtes enthoben ist. Endlich erreicht der Nil Kairo!“ Anders gesagt: Seine Absetzung war für ihn nur eine Frage der Zeit. Er werde aber „immer im Dienst des ewigen Mali bleiben“, warnte er.

Mit Choguel Maïga, so spekulieren die gleichgeschalteten malischen Medien, hat die Opposition nun einen Kandidaten gegen General Goïta gefunden, wenn dieser sich irgendwann bei Wahlen als Präsident bestätigen lassen will. Wobei sich dafür erst noch einiges ändern müsste.

Am 31. März hatte ein neues Oppositionsbündnis nach der amtlichen Suspendierung der Aktivitäten politischer Parteien in Mali die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung, freie politische Betätigung, Meinungsfreiheit und Freilassung politischer Gefangener gefordert – vergeblich.

Am vergangenen Mittwoch traten sie erneut im „Pressehaus“ der Hauptstadt Bamako auf und erneuerten ihre Kritik. „Wir befinden uns in einem endlosen Übergang. Man hindert die politische Klasse und das Volk daran, seine Grundrechte auszuüben“, so die elf Politiker.

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3 Kommentare

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  • Irgendwann werden auch die Malier begreifen, dass ihre eigenen Militärs bzw. deren Machtpfründe das eigentliche Problem sind. Völlig unabhängig von den Interessen ausländischer Mächte. Wie in so vielen Ländern, gerade in Afrika, scheitert auch in Mali der echte Wohlstandsgewinn für die Gesamtgesellschaft an den korrupten Eliten und einer mangelnden rechtsstaatlich abgesicherten, demokratischen Zivilgesellschaft.

    • @vieldenker:

      "irgendwann werden auch die Malier begreifen..."



      so fangen die großen Erklärungen der white saviours an...

      Stellen Sie sich doch mal vor, unsere Armee wäre nicht eng in den Rechtsstaat verknüpft und würde putschen. Stellen Sie sich vor, solche Gruppen wie Pegida wären militarisiert und bewaffnet - aus Interessensgruppen aus dem Ausland.



      Und dann reflektieren Sie nochmal, was "Die Malier" nicht begriffen haben.



      Nein, es sind nicht "die Malier", es sind die Umstände, auf deren Spielwiese sich die Interessen verschiedenster Akteure austoben.



      Ja, ohne Zivilgesellschaft geht es nicht, aber auch die hilft nicht, wenn die (zivilen!) staatlichen Strukturen nicht das Gewaltmonopol inne haben.

      • @Ringsle:

        Das stimmt zum Teil und es liegt mir ferne, als „weißer Retter“, oder Ritter in Erscheinung treten zu wollen. Letztlich werden die Malier - und insbesondere ihre sehr unterschiedlich begründete Elite - das Problem selber lösen müssen. Da helfen auch keine alten Vorwürfe an ausländische Aktivisten und die koloniale Vergangenheit, sondern nur ein interner Bewusstseinswandel. Bin sehr gespannt, ob das gelingt.