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Zentrum für Politische SchönheitVon Papens Totenruhe

Die Grabplatte von Franz von Papen ist wieder aufgetaucht – vor der CDU-Zentrale in Berlin. Es ist der zweite Akt einer umstrittenen Gedenkaktion.

Da liegt er nun und mahnt die CDU: Franz von Papen, Nazi-Ermächtiger Foto: Christian Mang/rts

Berlin epd | Anfang der Woche war sie plötzlich verschwunden, die Grabplatte des früheren Reichskanzlers Franz von Papen (1879-1969). Statt an seinem Grab im saarländischen Wallerfangen tauchte sie am Samstagmorgen allerdings vor der CDU-Bundeszentrale in Berlin wieder auf. Wie ein Polizeisprecher bestätigte, wurde die Steinplatte mutmaßlich von Aktivisten des umstrittenen Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) vor dem Gebäude abgelegt. Sie sei von der Polizei sichergestellt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagte der Sprecher. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um das Original handelt.

Auf ihrer Webseite bestätigten die Aktionskünstler die Aktion und erklärten, Franz von Papen „möchte mit der Union die Gefahren besprechen, wenn man sich mit Faschisten einlässt und ob Demokratiefeinde durch Macht überhaupt domestiziert, demaskiert oder eingehegt werden können“. „Hitlers Ermächtiger, verantwortlich für Millionen von Toten in ganz Europa, Hauptangeklagter in Nürnberg“, sei mit vier Jahren Haft bestraft worden, habe dann in „Saus und Braus auf seinem Schloss“ gelebt und dann ein Ehrengrab in Wallerfangen bekommen: „So geht deutsche Erinnerungskultur“, heißt es.

Mit der Grabplatte vor dem Konrad-Adenauer-Haus hat die Künstlergruppe eine Aktion fortgesetzt, die vor allem wegen der Störung der Totenruhe stark kritisiert worden war. Eine Anfang der Woche eröffnete Gedenkstätte gegenüber vom Reichstag unter dem Titel „Sucht nach uns“ war wegen der Verwendung von angeblicher Asche von Holocaust-Opfern auf heftigen Protest vor allem bei jüdischen Organisationen gestoßen. Sie kritisierten, dass die Aktionskünstler die jüdische Totenruhe gestört haben.

In einer Stahlsäule sollten sich angeblich sterbliche Überreste von Holocaust-Opfern aus der Umgebung nationalsozialistischer Konzentrationslager befinden, die bei der Entnahme von Bodenproben gefunden wurden. Der Inhalt der Säule wurde nach Angaben des ZPS schließlich am Freitag an die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland übergeben, die sich bereit erklärte habe, die Überreste noch vor Beginn des Sabbat zu bestatteten.

„Wir waren uns bewusst, dass wir die Gefühle von vielen Menschen aufwühlen würden, wenn wir berichten, was wir vorgefunden haben“, erklärten die Künstler in einer Stellungnahme vom Samstag: „Dennoch lag uns nichts ferner, als die religiösen und ethischen Gefühle von Überlebenden und Nachkommen der Getöteten zu verletzen. Wir wollen bei Betroffenen, Angehörigen und Hinterbliebenen aufrichtig um Entschuldigung bitten, die wir in ihren Gefühlen verletzt haben.“

„Wenn sich Menschen, auf deren Seite wir uns sehen und mit denen uns tiefe Sympathie verbindet, gegen uns Position beziehen, dann zeigt das, dass wir Fehler gemacht haben“, erklärten die Künstler. „Diese Fehler wollen wir jetzt korrigieren.“ Die Gedenkstätte sei nun komplett überarbeitet worden. Es handele sich jetzt um eine „Schwurstätte gegen den Verrat an der Demokratie“.

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16 Kommentare

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  • Es ist ja so viel sinnvoller und menschlicher, sich über die Mittel von Kunst zu entrüsten, als über das zentrale Thema ihrer Aussage. Will man keine neuen Leichen, könnten ein paar schon als solche Existierende helfen, darauf aufmerksam zu machen, wie man es erst gar nicht dazu kommen lässt. Insbesondere die erwartbare und dem Schema entsprechende Heuchelei zur Grabplatte entblößt sich schnell als politisch motivierte Instrumentalisierung von moralischen Grundsätzen, die beim nächsten Thema schon wieder als Hypermoral abgekanzelt werden.

    • @Volker Maerz:

      Wer Moral vermitteln will, muss selbst Moral haben. Das gilt für alle. Auch für Künstler.

      Andernfalls ist man nicht glaubwürdig.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Man gebe "Friedhofschändung" in die Suchmaschine ein und scanne mal kursorisch das Ergebnis ab. Es reichen bereits die Daten der letzten drei Jahre.



    Wie man angesichts dessen was man da zu lesen bekommt, von mir aus auch mit der vorzüglichsten moralischen Haltung, selber auf die Idee kommen kann, solch einen Ort oder dessen Insignien zum Ausdruck seiner politischer Gesinnung zu herzunehmen, ist nicht begreiflich

  • Man hätte natürlich auch ein Foto oder eine Nachbildung der Platte nehmen können. Aber diese Techniken scheinen den "Künstlern" nicht bekannt zu sein.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Oder der Künstler hätte eine "Nachbildung" der 120k Klebebandbanane essen können. Oder Künstler hätten in eine "Nachbildung" der Duchamp Fountain pinkeln können. Aber diese Techniken sind dann halt nicht mehr (so sehr) Kunst.

      • @nachtkap:

        Grabplatten stehlen ist Kunst?

        • 9G
          92293 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          das klauen an sich nicht; aber das darauf aufmerksam machen welche Thematik unter welchem Gesichtspunkt eine Aufarbeitung bedarf; viele rechtsnationale konnten sich über Jahre gut bei der cdu und csu verstecken, jetzt sammeln sie sich in einer eigenen partei die mit anderen mitteln das rechtsextreme in die parlamente hineinträgt; es gab auch aktionen von rps die ich weniger ansprechend fand; diese hier hat effekte dabei die zu einem schnelleren handeln respektive reagieren führen; also eine art aktion die selbst beuys so kaum erreicht hat

          • 9G
            92293 (Profil gelöscht)
            @92293 (Profil gelöscht):

            bei der aktion mit den tigern waren für mich dem empfinden nach grenzen überschritten; ich bin europapolitisch nicht ganz so gut informiert, meine aber gesehen (TV) zu haben, dass polen bereits ein oder zweimal eben solche aschen als symbolische Aufarbeitung nach Jerusalem Jad Vashem gebracht haben; und da ich keine Religion praktiziere sind für mich die historischen bezüge und die politische betrachtungen bedeutender; der Umgang mit den Aschen ist wohl dennoch eine Aufgabe der betreffenden länder und Israels respektive jüdischer glaubensgemeinschaften

          • @92293 (Profil gelöscht):

            "...aber das darauf aufmerksam machen welche Thematik unter welchem Gesichtspunkt eine Aufarbeitung bedarf..."

            Das ist ja völlig richtig. Es geht aber natürlich auch genau so gut mit einem Foto oder einer Nachbildung.

            Die Anliegen der Künstler finden meine volle Unterstützung. Aber die Art wie sie vorgebracht werden, kann ich nicht gut heißen.

  • Also, mit der Aktion, dass man von Papen den Grabstein klaut, kann ich wieder leben.



    Wenn man damit darauf aufmerksam macht, dass viele Nazigrößen ein herrliches Leben später in der BRD hatten, ist das okay.

    Umso bedauerlicher, dass die mit der anderen Aktion einen solchen Bockmist veranstaltet haben, dass ich deren Aktionen nun auch eher vorsichtig beurteile.

    • @Age Krüger:

      Sie haben sich aufrichtig entschuldigt. Das nicht anzunehmen ist keinen Deut besser, als durch unbedachte Aktionen die Gefühle anderer Menschen zu verletzen!



      Und mit dem Ablegen von von Papens Grabstein soll nicht an Fehler bei der Aufarbeitung der Nazizeit erinnert werden. Das ist Vergangenheit, die kann man sowieso nicht mehr ändern. Nein, es soll für die Zukunft die CDU ermahnt werden, NIEMALS den Kardinalfehler zu begehen, den von Papen damals begangen hat, mit dem Teile der CDU heute in Bezug auf die AfD durchaus liebäugeln und der erst kürzlich in Italien durch die Cinque Stelle wiederholt wurde: "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht!"

      • @boidsen:

        "Das ist Vergangenheit, die kann man sowieso nicht mehr ändern."

        Für mich ist das nicht Vergangenheit. Es gibt bis heute die Strukturen, dass Menschen aus ihren Posten in der Nazizeit Vergünstigungen haben. Schließlich wurden die üppigen Pensionen ja auch vererbt. An unrechtmäßigen Vermögen kann kein Eigentum erworben werden infolgedessen kann es auch nicht vererbt werden.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Warum nur können diese peinlichen selbstverliebten und dabei so rücksichtslosen Künstler nicht wenigstens ein bisschen auf die ja immer lauter werdende Kritik hören.

    Sie erreichen nichts und mit Verlaub, sie haben auch nichts drauf.

    Go back to Schlingensief und fangt nochmal von vorne an. Oder lasst es einfach bleiben.

  • Jetzt werden also wieder die Toten ausgegraben, um sie vor Gericht zu stellen ... Leichensynode Anno 2019 ... aber nicht die Kirche fällt zurück ins finstere Mittelalter, nein, sondern selbsternannte Aktionskünstler ... letztlich zeigen sie damit ihre wahre Gesinnung, nämlich genau die, gegen die sie angeblich kämpfen!

  • Auf Friedhöfen zu graben hat was von Frankenstein. Der war auch auf der vergeblichen Suche nach Hirn.

  • Die Aktionen vom ZPS wirken auf mich nur noch peinlich.