Zentrale NS-Fahndungsstelle: Derzeit zwölf Schergen auf der Spur
Die Tatverdächtigen sind inzwischen hochbetagt. Die Ermittlungen oftmals langwierig. Aber die Ludwigsburger Nazi-Jäger geben nicht auf.
LUDWIGSBURG dpa | 70 Jahre nach Kriegsende lassen die Ermittler der zentralen NS-Fahndungsstelle auf der Jagd nach Nazi-Verbrechern nicht locker und schauen sich noch einmal gezielt Altfälle an. Aktuell gebe es in zwölf Fällen Vorermittlungen, sagte Leiter Kurt Schrimm der Deutschen Presse-Agentur in Ludwigsburg. Die Verfahren sollten in den nächsten Monaten abgeschlossen und dann je nach Ergebnis an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben werden.
Bei den aktuellen Recherchen gehe es um ehemalige Aufseher der nationalsozialistischen Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek, sagte Schrimm. Aber: „Nicht nur Akten dieser Lager werden noch einmal angeschaut, sondern auch die der anderen Konzentrationslager wie Buchenwald.“
Buchenwald war zum Ende des Zweiten Weltkriegs das größte KZ auf deutschem Boden. Am 11. April 1945 erreichten US-Truppen das Lager mit 21.000 Überlebenden. Wenig später wurden die Konzentrationslager Bergen-Belsen, Dachau und Ravensbrück befreit.
Schrimm und seine Mitarbeiter von der 1958 gegründeten NS-Stelle haben bereits zu den Akten gelegte Verfahren aus der Vergangenheit im Visier. „Wir überprüfen, ob die Entscheidungen aus den 1970er und 1980er Jahren mit der heutigen Rechtsauffassung vereinbar sind“, erläuterte er.
„Die Leute können auch 100 Jahre alt werden“
Hintergrund ist die Entscheidung des Landgerichts München im Fall John Demjanjuk. Der inzwischen gestorbene frühere Wachmann im Vernichtungslager Sobibor wurde 2011 wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Juden zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.
„Wir wissen nicht, ob wir völlig umsonst arbeiten“, sagte Schrimm. Aber solange ein mutmaßlicher NS-Verbrecher lebe, werde ermittelt. „Die Leute können auch 100 Jahre alt werden.“
Sobald die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen ihre Vorermittlungen abschließt, werden die Verfahren an die örtlichen Staatsanwaltschaften abgegeben. So auch im Fall des früheren SS-Unterscharführers Oskar Gröning: Der 93-Jährige muss sich ab 21. April vor dem Landgericht Lüneburg verantworten. Ihm wird Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zur Last gelegt.
Kommt es zu einer Anklage, muss es nicht automatisch einen Prozess geben: So kam 2013 in Baden-Württemberg der KZ-Wachmann Hans Lipschis wieder in Freiheit, weil er wegen Demenz verhandlungsunfähig war.
Von einer Reise nach Brasilien hat Schrimm kürzlich eine Liste mit 400 Namen mitgebracht. Diese würden nun auf eine mögliche Beteiligung an NS-Verbrechen überprüft.
Leser*innenkommentare
Pfanni
Inzwischen scheint mir wichtiger, verstärkt die Verbrechen aufzuklären, die im Namen der DDR und ihrer politischen Interessen begangen wurden. Gewiss gab es in der DDR keine KZ zur Massenvernichtung, aber politische Morde gab es.
Erinnert sei an den Studentenführer Benno Ohnesorg, der von einem als Polizist getarnten Stasi-Spitzel erschossen wurde. Danach wurde der Mord der Westberliner Polizei in die Schuhe geschoben. Erinnert sei auch an den Fußballer Eigendorf, der aus der DDR geflohen war und bei einem wahrscheinlich von der Stasi inszenierten Autounfall ums Leben kam.
Wie viele derartige politische Morde harren noch der Aufklärung?
Vor allem gilt es, jenen Kräften in der Linkspartei entgegenzuwirken, die immer lauter fordern, die Stasi-Akten endlich zu schließen. Denn dann könnten derartige Morde kaum noch aufgeklärt werden!
ioannis
"„Wir überprüfen, ob die Entscheidungen aus den 1970er und 1980er Jahren mit der heutigen Rechtsauffassung vereinbar sind“, "
Klingt rechtsstaatlich bedenklich. Wie genau geht das?
Rainer B.
@ioannis Mord verjährt nicht! Daran ändert es auch nichts, wenn massenhaft Akten aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen beiseite gelegt und Prozesseröffnungen endlos verschleppt wurden.
ioannis
@Rainer B. Es geht nur darum, wenn bereits ein Verfahren stattgefunden hat.
Rainer B.
@ioannis Die wenigen Verfahren, die überhaupt stattgefunden haben, sind sehr überschaubar und stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Verbrechen, die verübt wurden.
Gerald Müller
@ioannis die wollen ihren Job behalten..
Rainer B.
@Gerald Müller Ein Job, der viel zu lange aus politischen Gründen vernachlässigt wurde.