Zentralasien-Gipfel in China: Gruppenbilder mit und ohne Dame
Chinas Staatschef Xi gibt sich als Gönner gegenüber fünf zentralasiatischen Staaten. Vertreter aus Russland waren in Xi'an nicht mit von der Partie.
D as erste Fotopaar der Tage rund um den 19. Mai 2023: In Hiroshima posieren Staatsoberhäupter der sieben Industrienationen für ein Gruppenfoto. Im Hintergrund ein Blick auf einen ruhigen See. In Xi’an tun die Staatsoberhäupter der fünf zentralasiatischen Staaten mit Chinas Parteichef Xi Jinping in der Mitte dasselbe; auf einer Bühne, gesäumt von Staatsfahnen, im Hintergrund eine traditionelle chinesische Malerei, die schroffe Bergketten im Wolkenmeer zeigt.
Steht das symbolisch für sieben maritime Nationen plus die EU gegenüber einer neuen Weltmacht mit fünf kontinentalen Nachbarn als potenziellen Verbündeten? Das zweite Fotopaar: Die G7- SpitzenpolitikerInnen, zwei Frauen sind dabei, sitzen um einen runden Konferenztisch, dicht an dicht, auf Holzstühlen. Drei Männer, Joe Biden, Fumio Kishida und Emmanuel Macron, drehen sich zur Kamera und spenden so alle zusammen einem imaginären Publikum hinter der Kamera ihr pflichtbewusstes Lächeln.
Zum Vergleich: eine geräumige runde Tischreihe mit sechs schweren, wohlgepolsterten Sofas, ebenso geräumig voneinander getrennt. Frontal in die Kamera, also in eine imaginäre Weltöffentlichkeit, blickt nur Xi Jinping, Chinas starker Mann. Alle fünf Staatsführer sitzen mit dem Rücken zum Publikum. Niemand sieht ihre Mimik, vielleicht nur angedeutet, wie sie ihren Blick auf Xi richten. Steht das symbolisch für ein demokratisch gleichberechtigtes Miteinander gegenüber einem ehrerbietigen Audienzkreis?
Das dritte Fotopaar: hier ein Arbeitsessen zu Abend – jede und jeder hat seine und ihre Portion vor sich, zu sehen sind noch Mikrofone –, da eine lange Tischreihe, reichlich gedeckt, Blumengesteck und allerlei Leckerbissen, im Hintergrund ein weitläufiger Vorhof, wo für die Tischgäste Tänze und Lieder dargeboten werden.
Gut bezahlter Gehorsam
Wie der chinesische Begleittext berichtet, sind die Darbietungen allemal in der Pracht der Tang-Dynastie, die nach offizieller Geschichtsschreibung die Blütezeit der chinesischen Zivilisation repräsentiert – mit blühendem Handel durch die Seidenstraße, deren Anrainer alle zentralasiatischen Staaten heute sind. Sie sind Geldempfänger aus Peking für das Projekt der chinesischen Weltstrategie One Belt One Road. Auch diesmal klingelte es wieder vielversprechend in der Kasse: 26 Milliarden Dollar als Darlehen, wenn die fünf in Zentralasien Pekings Willen Folge leisten.
Was die Fotos erzählen, mag der Fantasie eines jeden Einzelnen überlassen bleiben. Und: Peking will offiziell noch nicht gelten lassen, der Gipfel in Xi’an sei eine Gegendarstellung zu Hiroshima. Dennoch ist der Kontrast unübersehbar: In Hiroshima dreht sich alles darum, Russlands Aggressionskrieg bald zu beenden. Der Verlierer ist Moskau. Kein Wort davon in Xi’an. In Hiroshima betonten die G7 den Entschluss, auch Chinas erpresserischem Vorgehen gegen wirtschaftlich schwächere Staaten entgegenzutreten.
Genau das wird in Xi’an dargeboten, wenn auch versüßt mit feudalem Prunk. Mit einer vielsagenden Fußnote: In Xi’an ist Chinas Verbündeter Russland abwesend. Moskau hat bis dato nie gefehlt, wenn es um Zentralasien, also um Russlands Hinterhof ging. Nutzt China Russlands Schwäche aus, um die eigene Einflusssphäre auszuweiten als ein neuer Hegemon, dem sich der Westen stellen will?
Wie eine Realsatire wirkt vor diesem Deutungshintergrund, dass nur wenige Tage zuvor Chinas Außenministeriumssprecherin mit aller Entschiedenheit den Beschluss des US-Kongresses zurückwies, China als „ein entwickeltes Land“ einzustufen und alle Handelsvergünstigungen zu kappen. China sei noch ein Entwicklungsland, das größte in der Welt, hieß es.
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