Politologin über Seidenstraßen-Projekt: „Dahinter steckt Geopolitik“

China lockt mit Milliardeninvestitionen. Doch das Mega-Projekt birgt Chancen und Gefahren für die EU, sagt Politologin Nadine Godehardt.

Ein langer Zug steht unzter einem großen Kran

Ein Zug aus China bei der Ankunft im belgischen Antwerpen Foto: dpa

taz: Frau Godehardt, für diesen Donnerstag hat die chinesische Führung erneut zur großen „One Belt, One Road“-Konferenz eingeladen, dem Seidenstraßen-Gipfel. Ist die Seidenstraße eher Chance oder Gefahr für Europa?

Nadine Godehardt: Politisch ist das Projekt heikel. Denn hinter der Seidenstraße steckt eindeutig Geopolitik. Die Staaten, die mit China Verträge unterzeichnen, lassen sich auf ein bilaterales Netzwerk ein, in ­dessen Zentrum China steht. Die Zusam­menarbeit erfolgt nicht auf gleicher Augenhöhe. Zudem hat das Projekt auch eine technologische Dimension: Stichwort „Made in China 2025“, eine weitere industriepolitische Strategie der chinesischen Führung, technologisch in den nächsten Jahren zum Weltmarktführer zu werden. Das wird zu Recht als Herausforderung wahrgenommen.

Die deutsche Wirtschaft scheint aber begeistert zu sein.

Ja, das hat auch die letzte Hannover-Messe gezeigt. Gerade in den Bereichen Mobilfunkstandard 5G und Industrie 4.0, also der Digitalisierung der industriellen Produktion, gibt es Anknüpfungspunkte. Deutsche Unternehmen können schon jetzt in China Technologien ausprobieren, die es dort gibt, weil sie stärker gefördert werden als in Europa. In diesen Bereichen findet viel Kooperation statt. Das ist auch sinnvoll.

Politisch heikel, wollen die Europäer wirtschaftlich eng mit den Chinesen kooperieren – was folgt daraus für Europas China-Politik?

Ein auf jeden Fall erster wichtiger Schritt erfolgte beim China-EU-Gipfel vor zwei Wochen in Brüssel. Die Europäer haben sich dort zumindest in Grundsätzen auf eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Vorgehen gegenüber China geeinigt. Die Bundesregierung schien dabei ein Treiber gewesen zu sein. Chinas Führung hat bei dem Gipfel auch schon Zugeständnisse gemacht. Der 16-plus-1 Gipfel mit China und vielen osteuropäischen Staaten zeigt jedoch: Die wirkliche Arbeit fängt jetzt erst an.

Wie müsste diese aussehen?

Es geht darum, dass sich Deutschland, Frankreich und die westeuropäischen Kernländer auch mit den Osteuropäern auf eine einheitliche China-Strategie verständigen und eine gemeinsame Richtung einschlagen.

Nadine Godehardt, 38, ist Polito­login und Sinologin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Berlin.

Die Bundesregierung warnt andere Europäer vor China und kritisiert vor allem Italien dafür, als erstes EU-Kernland der Seidenstraßen-Initiative beigetreten zu sein. Wie finden Sie das?

Wenn Berlin Italien dafür kritisiert, mit China zunächst Abkommen in Höhe von 2,5 Milliarden unterzeichnet zu haben, dann ist das von deutscher Seite etwas scheinheilig. Denn auch große Unternehmen wie BASF oder Siemens profitieren sehr von der deutschen Zusammenarbeit mit China. Im Fall von Italien geht es allerdings um mehr als nur um Handelsvereinbarungen. Das Ziel der EU besteht nicht darin, einzelnen Ländern die Zusammenarbeit mit Peking zu verbieten, sondern diese sollte nicht unter einem chinesischen Diktat erfolgen. Daher stößt Roms Beitritt zur Seidenstraßen-Initiative auf deutliche Kritik.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reist zum Seidenstraßen-Gipfel an. Ist das richtig?

Auch Vorgängerin Brigitte Zypries von der SPD nahm an diesem jährlichen Forum schon teil. Insofern ist Altmaiers Teilnahme weder eine Auf- noch eine Abwertung. Ich würde das Forum nicht überbewerten. Sich austauschen und dabei gegenüber der chinesischen Seite die Bedenken vortragen kann nicht schaden – solange nicht die Kanzlerin persönlich teilnimmt. Denn das würde dem Ganzen einen anderen Stellenwert geben. Für wichtiger halte ich es aber, dass auch die Parteien im Bundestag über die Teilnahme an einem solchen Treffen diskutieren. Letztendlich ist es ein Forum der Kommunistischen Partei. Das sollte auch nicht vergessen werden, wenn es um den Umgang mit China geht.

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