Zensur der Berichterstattung: Vietnam sperrt Website der taz
taz.de ist in Vietnam nicht mehr erreichbar. Vermutlich weil die taz über die drohende Entführung Nguyễn Thị Thanh Nhàns aus Deutschland berichtet hat.
Die Sperre steht mutmaßlich im Zusammenhang mit der Berichterstattung der taz über Nguyễn Thị Thanh Nhàn. Die in Ungnade gefallene langjährige Geliebte von Vietnams Premierminister Phạm Minh Chính ist nach Deutschland geflüchtet und wird hier nun von Sicherheitsbeamten beschützt, weil ihre Entführung durch den vietnamesischen Geheimdienst befürchtet wird. Das Auswärtige Amt soll Vietnam bereits vor illegalen Aktionen auf deutschem Hoheitsgebiet gewarnt haben. „Die Bundesregierung duldet keine Eingriffe fremder Staaten auf deutschem Staatsgebiet“, hieß es aus der Behörde.
Die Texte der taz zu dem Fall wurden von dem in Berlin ansässigen vietnamesischsprachigen Onlinemedium Thoibao.de sowie von zahlreichen vietnamesischen Facebooknutzern verlinkt, so dass auch LeserInnen in Vietnam davon erfuhren. Im Netz finden sich auch vietnamesische Übersetzungen von Teilen der Artikel.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen steht Vietnam auf Platz 178 von 180. Nur in China und Nordkorea geht es noch restriktiver zu. Seiten vietnamesischsprachiger Exilmedien wie die von Thoibao.de werden seit Jahren mittels einer Firewall in Vietnam unsichtbar und unhörbar gemacht. Betroffen sind auch vietnamesischsprachige Angebote internationaler Medien, etwa der britischen BBC oder von Voice of America. Es ist jedoch ein Novum, dass die Zensoren ein deutschsprachiges Medium wie die taz sperren.
Reporter ohne Grenzen alarmiert
Sehr wahrscheinlich gibt es sogar kein weiteres in Vietnam blockiertes Medium in einer anderen Sprache als Vietnamesisch. Selbst bei der BBC wird unterschieden: Das englischsprachige Programm ist in Vietnam frei zu empfangen, das vietnamesischsprachige nicht. Das Exilmedium Thoibao.de berichtet, dass die Website von besonders vielen Störangriffen behindert wurde, wann immer es über den Fall Nguyễn Thị Thanh Nhàn berichtete.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach am Dienstag von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Ihr Geschäftsführer Christian Mihr sagte: „Wir verurteilen die Zensur von taz.de in Vietnam aufs Schärfste und fordern die vietnamesischen Behörden auf, die Seite sofort wieder zugänglich zu machen. Es ist auffällig, dass die Zeitung gerade regierungskritische Recherchen veröffentlicht hat.“
Die taz-Chefredakteurinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann erklären am Dienstag: „Die Führung in Hanoi übt Repression über die eigenen Landesgrenzen hinweg aus, auch in Deutschland. Das hat die taz mit ihrer Berichterstattung gerade wieder aufgezeigt. Dass die Webseite der taz in Hanoi jetzt nicht mehr aufrufbar ist, ist nur ein weiterer Beleg dessen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“