Zeitverträge in der Wissenschaft: Keine Ultrakurzbefristungen mehr
Union und SPD sind sich einig: Zeitverträge für Wissenschaftler sollen so lange laufen, wie diese für die Promotion oder ihr Projekt brauchen.
Auf diesen und sechs weitere Grundsätze haben sich die Bildungspolitiker der Koalitionsfraktionen Union und SPD am Donnerstag abschließend geeinigt. „Wir sind sehr froh über die einvernehmliche Einigung“, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Ernst-Dieter Rossmann. Damit sei sichergestellt, dass die Große Koalition noch in diesem Jahr ein großes Maßnahmepaket für planbarere und verlässlichere Karrierewege im Wissenschaftssystem verabschieden könne.
„Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist nun gebeten, zügig einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen“, teilte der bildungspolitische Sprecher der Union, Albert Rupprecht (CSU) mit. „Mit der Novelle wollen wir Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis abstellen.“ Aus Ministeriumskreisen verlautete, dass dieser Entwurf bereits in den Schubladen bereit liege.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, kurz WissZeitVG, gilt allein für den Arbeitsplatz Wissenschaft und schafft damit quasi eine Sonderzone. So dürfen Wissenschaftler vor und nach ihrer Promotion maximal sechs Jahre befristet beschäftigt werden. Es sei denn, sie arbeiten danach in Projekten, die über zusätzlich eingeworbene Forschungsgelder finanziert werden, sogenannte Drittmittelprojekte.
Weil aber Drittmittel für die Hochschulen als Geldquelle immer wichtiger werden, steigt die Zahl der ProfessorInnen in spe, die auf solchen Zeitstellen forschen. Über 90 Prozent des hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen Personals an Hochschulen ist befristet beschäftigt, mehr als die Hälfte der Verträge dauert weniger als ein Jahr.
Arbeitslos auf dem Wochenbett
In den Eckpunkten, auf die sich Union und SPD nun geeinigt haben, ist auch festgelegt, dass die Verträge von DoktorandInnen die Angehörige pflegen oder in Elternzeit in dieser Zeit nicht einfach auslaufen können. Bisher war Elternzeit- oder Pflegeverlängerungen vom Wohlwollen der InstitutsleiterInnen und Hochschulpräsidien abhängig. Für WissenschaftlerInnen in Drittmittelprojekten gilt dies wahrscheinlich immer noch, jedenfalls werden sie an diesem Punkt nicht explizit erwähnt.
Der Hochschulexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller, kritisiert das. Berge es doch die Möglichkeit, dass eine junge Mutter praktisch im Kreißsaal arbeitslos werde.
Laborassistenten oder Techniker die Geräte betreuen, das sogenannte nichtwissenschaftliche Personal sollen nicht mehr unter das WissZeitVG sondern unter das normale Teilzeit- und Befristungsgesetz fallen.
Gewerkschaften weiter draußen
Die SPD hatte ursprünglich auch die geltende Tarifsperre in den Hochschulen aufheben, also durchsetzen wollen, dass Gewerkschaften Arbeitnehmer und Gewerkschaften darüber hinaus gehende Regelungen vereinbaren können. Damit hat sie sich aber gegen die Union nicht durchsetzen können. Rossmann ist dennoch zufrieden: „Wir haben sonst alle unsere Forderungen durchsetzen können.“
Genauso sieht es auch die Union: „Die Eckpunkte entsprechen dem Entwurf, den wir bereits in der letzten Legislaturperiode mit der FDP vorgelegt haben“, sagte der CDU-Bildungspolitiker Tankred Schipanski. Diese an sich merkwürdige Selbstzufriedenheit auf beiden Seiten zeigt, dass Union und SPD beim Thema wissenschaftlicher Nachwuchs von Anfang an, nicht weit auseinander lagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung