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Zeitung über FlüchtlingskatastropheDein Leid ruiniert meinen Urlaub

Tausende, die vor dem Syrien-Krieg fliehen, strandeten auf der griechischen Insel Kos. Die „Daily Mail“ kümmert sich nur um die Urlauber.

Ein Flüchtlingskind am Ufer der Insel Kos. Foto: dpa

BERLIN taz | 10 Uhr Wassergymnastik, 14 Uhr Beach-Volleyball, 17 Uhr Club-Tanz – so wird der gewöhnliche Griechenland-Urlaub im Reiseprospekt angepriesen. Schön geregelt entspannen, möglichst keine Überraschungen erleben. Und wenn einen dann doch die Abenteuerlust packt, geht’s in die nächstgelegene Touri-Taverne, um auch mal den vermeintlich authentischen griechischen Flair zu spüren.

Doch gelegentlich droht diese Urlaubsblase zu platzen. So wie auf der griechischen Insel Kos. Ein beliebtes Ferienziel für britische Touristen – und eine Zwischenstation für Menschen, die vor dem Krieg in Syrien und aus Afghanistan flüchten.

6.000 Flüchtlinge sollen nach Angaben der Daily Mail in den letzten zwei Monaten auf der Insel gelandet sein. Allein am 25. und 26. seien es 1.200 Menschen gewesen. Einige von ihnen würden in Pappkartons an der Hafenpromenade schlafen. Man könnte meinen, dass sich die Berichterstattung auf die Flüchtlinge konzentrieren müsste, doch die Daily Mail interessierte sich eher für die britischen Urlauber.

„Anne Servante, eine Krankenschwester aus Manchester, war in Erwartung einer entspannenden Auszeit mit ihrem Mann Tony, einem pensionierten Klempner, nach Kos gekommen. Stattdessen verwandelte sich die Sommerauszeit in einen Albtraum, als mittellose Migranten, die in Griechenland Asyl beantragen wollen, draußen vor ihrem Restaurant sitzen und sie beim Essen beobachten.“

Sie haben sogar Smartphones

Es sei nun wirklich dreckig und unordentlich auf der Insel, beschwert sich Anne Servante gegenüber der Daily Mail. „Ekelhaft“ findet sie die Situation. Ekelhaft ist auch die weitere Berichterstattung der Zeitung. Die Flüchtlinge würden ihre schmuddeligen Tücher am Hafen aufhängen. Einige von ihnen besäßen sogar Kreditkarten und Smartphones.

Die Korrespondentin Hannah Roberts nennt Kos ein Höllenloch. Doch die wahren Höllenlöcher in Syrien und Afghanistan werden nur am Rande erwähnt. Ganz am Ende des Artikels kommen einige Flüchtlinge zur Sprache.

Sie berichten von ihrem Leid im Heimatland und ihren Zukunftsplänen. Es ist möglich, dass diese Zeilen erst im Nachhinein hinzugefügt wurden. Einen Tag nach der Veröffentlichung wurde der Artikel nochmals bearbeitet. Er hatte rege Kritik auf sich gezogen.

Ein User kommentierte: „Oh je! Mir tut es so leid, dass euer wichtiger, bürgerlich vergnügter Urlaub von armen Menschen ruiniert wurde, die sich um triviale Dinge sorgen, z. B. wo ihr nächstes Essen herkommt und wo sie ein Dach über dem Kopf finden oder ob sie jemals ihre Verwandten wiedersehen werden.“

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4 Kommentare

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  • Zu welchen rassistischen Absonderungen in diesem Zusammenhang das gewöhnliche PEGIDA-Fußvolk in der Lage ist, kann man recht schön in den Kommentarspalten von PI-News nachlesen: [...]  Aber Vorsicht: Beim Lesen besteht die Gefahr spontaner Magenentleerung!

    Der Link wurde entfernt. Wir haben entschieden, dass wir nicht auf rechtspopulistische/rechtsextreme Seiten verlinken möchten, auch wenn es von Ihnen anders  gemeint ist. Wenn es Ihnen ganz wichtig ist, bitten wir Sie, einen Screenshot zu machen und auf diesen zu verlinken. Wir hoffen auf Ihr Verständnis. Die Moderation.

  • Da brauchen wir gar nicht lang über den Kanal zu gucken - solche Meinungen gibt es bei uns auch.

  • In Bremen rief doch tatsächlich eine Mieterin bei der Hausverwaltung an und beschwerte sich, daß sie nun gezwungen sei mit mehreren Flüchtlingen gleichzeitig den Aufzug zu benutzen. Da die doch nun auch im Hause mitwohnen. Dies sei ihr nicht zuzumuten. Und man möge sich -bitteschön- darum kümmern.

     

    Tatsache !!!

  • Wobei ich die Aufregung über diese Ehrlichkeit auch blöd finde.

    Niemand, der unbeschwert Urlaub machen will, würde z.B. in ein Flüchtlingslager nach Jordanien fahren. Nun kann man den Menschen vorwerfen, dass sie an Urlaub denken können, während woanders auf der Welt (oder auch nur ein paar Kilometer entfernt in der Obdachlosenunterkunft) Menschen leiden. Man kann's aber auch lassen, wenn man später im Jahr in die Toskana in's eigene Sommerhäuschen oder nach Südschweden zum Wandern fährt.