Zeitung im Jahr 2057: Dreckschleuder in die Vergangenheit
In ferner Zukunft ist unser Autor im sechzigsten Jahr freier Mitarbeiter der taz. Seine Themen: Aliens, Luxusraumschiffe, sächsische Separatisten.
W ir schreiben das Jahr 2057. Was man vor dreißig Jahren nicht zu hoffen gewagt hätte: Zum Glück gibt es noch immer gedruckte Zeitungen. Sie erscheinen auf abwischbaren Folien aus Gartenabfällen.
Abonnenten legen die ausgelesenen Blätter am Abend vor die Tür, wo sie abgeholt, aufbereitet und am nächsten Morgen, neu bedruckt, wieder angeliefert werden. Ich bin jetzt im sechzigsten Jahr freier Mitarbeiter der taz. Einer meiner Hauptabnehmer ist nach wie vor das Ressort taz2/Medien, das jetzt „taz3000SpaceX“ heißt.
Das klingt flotter und mehr nach Zukunft, was eigentlich Quatsch ist, weil die von mir hier als Zukunft bezeichnete Zeit ja dann die Gegenwart sein wird. Und man lässt ja auch in keinem Science-Fiction-Stück die Figuren geflasht darüber reflektieren, was es jetzt für utopische Features gibt, weil das für die ja normaler Alltag ist.
Aber gut, das müssen die wissen; ich misch mich da nicht ein. Die Redaktion ruft mich manchmal morgens gegen dreißig an – die Uhrzeit ist jetzt in Stunden, Zentistunden und Millistunden eingeteilt anstatt wie früher in kackkrumme, angelsächsisch anmutende Fantasieeinheiten im Duodezimal- oder Sexagesimalsystem.
Der „Lurch“ darf ran
Wenn es um Tiere geht, darf „der Lurch“ ran; wo journalistische Mindeststandards nicht unterschritten werden sollen, schreiben sie ihren Kram lieber selbst. Doch sonst wird die „Dreckschleuder“ (ich im taz2-Jargon) in Stellung gebracht.
Meistens soll ich was zu einem kontroversen Gesellschaftsthema abliefern: Alien aus Forschungseinrichtung ausgebrochen, Luxusraumschiff in Kreuzberg abgefackelt, die sächsischen Separatisten treiben die Regierungstruppen vor sich her und stehen kurz vor Leipzig. Dazu drechsle ich wie gewohnt ein „launiges“ Stückchen.
Und endlich habe ich auch eine neue Kolumne. Denn nachdem sich die Zukunftskolumne um das Jahr 2050 herum doch langsam ein bisschen totgelaufen hat, verfasse ich seitdem einmal im Monat eine neue Folge zur „Vergangenheit“. Das finde ich ohnehin leichter als zur Zukunft, denn dabei muss man nichts raten oder erfinden, weil man ja schon weiß, was passiert ist, und dann schreibt man das einfach nur runter. Es ist im Grunde, wie früher vor der Stunde noch schnell die Hausaufgaben abzupinnen.
Roter Faden des Formats ist „mein polnischer Histurologe Zbigniew“, ein fiktiver Charakter, der in anderer Form bereits in meinen alten Kolumnen vorkam und dem ich auch hier wieder coole Aphorismen in den Mund lege wie: „Geschichte ist wie Märchen, nur ohne Happy End.“
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