Zehntausende protestieren in Spanien: Druck auf Regierungschef Pedro Sánchez wächst
In Spanien bringt die konservative Volkspartei Zehntausende gegen Regierungschef Sánchez auf die Straße. Dem wirft sie massive Korruption vor.
Spaniens Linksregierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez kommt zunehmend unter Druck. Am Sonntag demonstrierten in Madrid rund 40.000 Menschen gegen den in Minderheit regierenden Sánchez. „Mafia oder Demokratie“ lautete das Motto. Dazu aufgerufen hatte die größte Oppositionspartei, die rechtskonservative Volkspartei (Partido Popular – PP) unter Alberto Núñez Feijóo.
„Spanien hat genug von denen, die denken, sie stünden über allen anderen“, sagte PP-Chef Feijóo in seiner Rede. Es war das siebte Mal, dass die PP in den letzten Jahren gegen Sánchez und für Neuwahlen auf die Straße ging.
Die Menschenmenge, die sich unweit der Parteizentrale von Sanchez' sozialistischen PSOE eingefunden hatten, forderten den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Unter den Protestierenden befanden sich die Chefin der Regionalregierung Madrid und der Bürgermeister der Hauptstadt, sowie die einstigen spanischen PP-Ministerpräsidenten José María Aznar und Mariano Rajoy.
Für Feijóo und die Demonstrierenden ist die Koalition unter Sánchez „die korrupteste Regierung, die das Land je gesehen hat“. Die beiden letzten Organisationssekretäre der PSOE werden der Korruption verdächtigt. Einer – Santos Cerdán – saß monatelang in Untersuchungshaft, der andere – José Luis Ábalos, der auch eine Zeit lang Verkehrsminister war, wurde nach langen Ermittlungen vergangenen Donnerstag wegen Fluchtgefahr inhaftiert.
Die letzte PP-Regierung stolperte selbst wegen Korruption
Zwar hatte die Partei sie in beiden Fällen umgehend allen Ämtern enthoben, doch Feijóo beschuldigte Sánchez dennoch der generalisierten „politischen, wirtschaftlichen, institutionellen, sozialen und moralischen Korruption“. Der Vorwurf verwundert viele, denn die PP wurde einst als Partei selbst wegen systematischer Korruption verurteilt.
Fast die komplette Regierung des mitdemonstrierenden Aznar saß oder sitzt in Haft. Und Rajoy wurde 2018 von Sánchez in einem Misstrauensvotum abgelöst, als die PP als korrupte Organisation verurteilt wurde.
Das Land halte Sánchez „nicht einen Tag länger aus“, erklärte Feijóo unter Applaus. Sánchez werde sogar selbst bald in Haft enden. Es gebe nicht einige faule Äpfel im Umfeld von Sánchez, sondern Sánchez sei der faule Apfel, der alle anstecke, die mit ihm zu tun hätten, erklärte Feijóo bereits im Vorfeld der Proteste.
Auch gegen Sánchez' Ehefrau und seinen Bruder wird ermittelt. Allerdings sind diese beiden Verfahren mehr als fragwürdig. Denn trotz monatelanger Untersuchungen wurden keine konkreten Taten festgestellt. Die PSOE redet deshalb von „Lawfare“ – Justizkrieg – gegen sie. Die Verfahren stützen sich auf Vorwürfe von Internetseiten, die von der PP finanziert werden. Die Klagen selbst stammen von rechtsextremen Organisationen.
Für Sanchez ist Verhaftung von Ábalos ein schwerer Schlag
Im Falle der Organisationssekretäre Cerdán und Ábalos stützen sich die Ermittlungen auf Untersuchungen durch die auf Korruption spezialisierte Polizeieinheit UCO. Ábalos, sein Ex-Berater Koldo García sowie Santos Cerdán werden verdächtigt, während der Coronapandemie Schmiergelder für die Vergabe öffentlicher Aufträge für Schutzmasken kassiert zu haben. Außerdem soll Cerdán bei öffentlichen Bauaufträgen die Hand aufgehalten haben. Die Beschuldigten bestreiten dies.
Ábalos Inhaftierung ist ein schwerer Schlag für die Minderheitsregierung von Sánchez. Er braucht, um Gesetze durchs Parlament zu bringen, alle Stimmen außer denen der rechten PP und der ultrarechten VOX. Seit einigen Wochen hat er diese Mehrheit nicht mehr. Denn die katalanische Junts, Partei des im Exil lebenden katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont, hat ihm die Zusammenarbeit aufgekündigt.
Sánchez will dennoch weitermachen. Denn Feijóo kann kein Misstrauensvotum gewinnen. Denn er bräuchte dafür auch die Stimmen der rechtsextremen VOX und die der katalanischen Unabhängigkeitspartei Junts. Das passt nicht zusammen.
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