Zehn Jahre Bologna-Reform: Rektoren finden Bachelor blöd
Eine „Erfolgsgeschichte“ nannte Bildungsministerin Schavan das Bologna-Abkommen. Nun widersprechen die Hochschulrektoren: Studenten seien nicht mobiler geworden.
BERLIN taz | Bachelor in Mainz, Master in Madrid und Doktorand in Istanbul. So ähnlich sollte die Studienlaufbahn nach der Bologna-Reform aussehen. Während Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zehn Jahre nach Änderung des Hochschulrahmengesetzes den Bologna-Prozess als eine „europäische Erfolgsgeschichte“ feiert, übt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) harsche Kritik: Insbesondere das Kernanliegen, den Studierenden mehr internationale Mobilität zu ermöglichen, sei nicht erfüllt worden, sagt HRK-Vorsitzender Horst Hippler der Süddeutschen Zeitung. Sein Fazit: Es sei falsch, junge Menschen schneller durchs Studium und in den Beruf zu bringen.
Jeder fünfte Student verbringt ein Semester an einer ausländischen Universität – das sei deutlich weniger als angedacht. Zudem gibt es laut Hippler Probleme bei der Anerkennung von Leistungen. Der straffe Zeitplan bringe keine Persönlichkeiten hervor, die von der Wirtschaft gebraucht werden, so Hippler weiter. Es fehlen „jene, die über den Tellerrand des Fachs hinausschauen können“.
Zustimmung erhält Hippler von Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD). „Unter vier Augen sehen viele Verantwortliche die Reform kritisch. Aber es gibt kaum solche, die sich öffentlich äußern und konsequente Reformen unterstützen“, sagte Brodkorb. Man könne Bildung nicht nach Ikea-Format standardisieren. Es müsse wieder möglich sein, in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu studieren.
„Es ist schön, dass jetzt wieder mehr Wert auf Persönlichkeitsbildung gelegt wird“, sagte Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks (DSW) der taz. Dafür bräuchten Studenten aber auch mehr Freiheit bei der Studiendauer. „Mehr Mobilität wird dann gefördert, wenn jene nicht dumm dastehen, die länger studieren.“
Der Bologna-Prozess sei aber besser als sein Ruf, so Grob. Die Bachelorabsolventen würden schnell den Eintritt in die Arbeitswelt schaffen. „Die Ziele sind gut, es fehlt nur noch an der sozialen Infrastruktur. Wichtig wäre es, die Beratungsangebote und infolge dessen auch die Finanzierung aufzustocken.“ Die Politik sei vor zehn Jahren mit falschen Vorstellungen und Erwartungen den Bologna-Prozess angegangen.
Sie habe gehofft, dass die meisten Bachelor-Absolventen zunächst in der Arbeitswelt Praxiserfahung sammeln – tatsächlich machen aber über 75 Prozent nach dem Bachelor den Master. Und darin liege auch das wahre Problem am Bologna-Prozess in Deutschland: Es fehlen laut Grob ausreichend Masterstudienplätze.
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