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Za­pa­tis­t*in­nen in MexikoUngewohnte Solidaritätsbekundung

Der mexikanische Bundesstaat Chiapas ist Schauplatz blutiger Kämpfe. Die Za­pa­tis­t*in­nen vor Ort haben sich ihren internationalistischen Blick erhalten.

Zapatistische Gruppen protestieren in Mexiko-Stadt und fordern mehr Schutz für indigene zapatistische Gemeinschaften in Chiapas. Okrober 2024 Foto: Quetzalli Nicte-Ha/reuters

W as machen eigentlich die Zapatist*innen? Eine Frage, die bis heute viele Menschen sofort stellen, wenn von Mexiko die Rede ist. Da rangieren die indigenen Re­bel­l*in­nen gleich hinter der Mafia. Wahrscheinlich wüssten bis heute nur Rucksackreisende und Archäolog*innen, dass Chiapas ein Bundesstaat im mexikanischen Südosten ist, hätte es dort nicht vor 30 Jahren einen bewaffneten Aufstand des Zapatistischen Befreiungsheers (EZLN) gegeben.

Aber die Frage, was sie tun, kam auch mir in den Sinn, als ich vor wenigen Tagen auf dem Weg von der Provinzmetropole San Cristóbal de las Casas in die Stadt Comitán an einer zapatistischen Gemeinde vorbeifuhr. „Wir fordern die russische Regierung auf, den Krieg zu beenden“, hieß es da auf einer großen Holztafel am Straßenrand. Und: „Für das Leben der russischen und ukrainischen Bevölkerung.“

Die Solidaritätsbekundung aus dem verarmten Süden Mexikos erinnert daran, dass die Za­pa­tis­t*in­nen im Gegensatz zu vielen anderen Linken in Lateinamerika die Verantwortung für Putins Krieg nicht reflexartig im „Westen“ gesucht haben. Beachtenswert ist sie aber noch aus einem anderen Grund. Nur wenige Kilometer entfernt, an der Grenze zu Guatemala, findet derzeit selbst ein Krieg statt. Dort kämpfen das Sinaloa- und das Jalisco-Kartell um die Kontrolle der Grenzregion, also darum, wer am Schmuggel von Drogen, Waffen und Mi­gran­t*in­nen verdient.

„Chiapas ist in Mexiko angekommen“, sagte dazu mal ein Freund. Lange Zeit war die abgelegene Region keiner der großen Schauplätze der Kämpfe des organisierten Verbrechens. Offenbar hatte ein kriminelles Kartell das Sagen. Das verspricht meistens weniger blutige Verhältnisse.

Das aber hat sich in den letzten Jahren geändert. Tausende Ein­woh­ne­r*in­nen mussten flüchten, ganze Gemeinden suchten Schutz im benachbarten Guatemala. Andere mussten sterben, Jugendliche werden zwangsrekrutiert. Ein öffentlicher Transport in die Region existiert nicht mehr, eine journalistische Berichterstattung vor Ort ist lebensgefährlich. Zonen des Schweigens.

Za­pa­tis­t*in­nen verteidigen ihre Dörfer

Unweit dieses Kriegsszenarios verteidigen die Za­pa­tis­t*in­nen die von ihnen regierten Dörfer. Zwar sind es nicht direkt die Killer der Kartelle, die ihnen das Leben schwer machen. Dennoch leiden sie wie viele unter Angriffen andere gewalttätiger Gruppen und gegnerischer Gemeinden. Auch bei diesen Überfällen handelt es sich nicht nur um lokale Konflikte, oft stecken die Interessen der Mafia und der politisch Mächtigen dahinter. Also auch die der Morena-Partei, die das Land und auch in Chiapas regiert.

Die derzeit geplanten „Internationalen Treffen der Rebellion und des Widerstands 2024–2025“ müssten möglicherweise abgesagt werden, da an keinem Ort in Chiapas die Sicherheit der Teilnehmenden garantiert werden könne, schreibt der EZLN-Sprecher Subkommandant Moisés.

Nicht einmal die Touristenhochburg San Cristóbal de las Casas ist noch sicher. Immer wieder kommt es dort zu Schießereien, jüngst versetzte der Mord an dem indigenen Pfarrer Marcelo Pérez die Stadt in einen Schockzustand. Padre Marcelo hatte sich intensiv für die Menschen eingesetzt, die in diesen elenden Verhältnissen diskriminiert, gedemütigt und verfolgt werden. Seine Mörder lauerten dem stadtbekannten Geistlichen nach seiner Messe auf, am Vormittag, vor einer der wichtigsten Kirchen der Stadt. Die Botschaft der Killer: Wir können machen, was wir wollen.

Das sind die Verhältnisse, in denen auch die Za­pa­tis­t*in­nen um ihr Überleben ringen. Längst sind sie nicht mehr die dominierende regionale Kraft, zurückgezogen organisieren sie den Alltag in ihren Gemeinden. Dass sie sich dennoch ihren kritischen internationalistischen Blick erhalten haben, ist bemerkenswert. Ob es die philosophischen Ausschweifungen ihres ehemaligen Frontmanns Subcomandante Marcos auch sind, sei dahingestellt.

Er veröffentlicht derzeit unter dem Namen „El Capitán“ ein Traktat nach dem anderen, in dem es zum Beispiel um schizophrene Käfer, biologische Geschlechter und Bertolt Brecht geht. Und um Kunst, Wissenschaft und Moderne. Interesse? Alles weitere, auch in deutscher Sprache, steht auf der Webseite „Enlace Zapatista“.

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Wolf-Dieter Vogel
Korrespondent
Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.
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2 Kommentare

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  • Danke für die interessante Info.

  • Vielleicht ist ein Bündnis aus progressiven Kirchenleuten, Arbeitern, Intellektuellen, Bauern immer noch eine Chance, um dem Doppelgewürge von Privilegien-Staat und Gewalt-Gangs Paroli zu bieten.