Zahlen zum Arbeitsmarkt: Optimismus und Kosmetik
Die Politik ist optimistisch, 2014 soll sich der Arbeitsmarkt gut entwickeln. Die Nöte von Geringbeschäftigten übersieht die Koalition geflissentlich.
BERLIN taz | Die Arbeitslosigkeit ist im Monat Dezember 2013 leicht gestiegen – trotzdem starten die Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie die frischgebackene Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zuversichtlich in das Jahr 2014.
Die BA stellte am Dienstag ihre aktuellsten Zahlen vor. Danach gab es im Dezember offiziell rund 2,88 Millionen Arbeitslose. Das waren rund 67.000 mehr als noch im November. Dieses Plus sei aber „schwächer ausgefallen als in den vorangegangenen Jahren“, sagte Frank-Jürgen Weise, Chef der BA. Saisonbereinigt, also unter Herausrechnung der Einflüsse durch das Winterwetter, ist die Arbeitslosigkeit im Dezember im Vergleich zum November um 15.000 Personen gesunken.
Traditionell schaut die BA im Januar auf das vergangene Jahr – und wagt, wie auch die Politik, einen Ausblick. Da die führenden Wirtschaftsinstitute ein Wachstum von 1,2 bis 1,8 Prozent erwarten, überwiegt der Optimismus. „Wir haben einen guten Start in 2014“, sagte Nahles in Berlin.
Das Jahr 2013 war wegen der schwachen Konjunktur durchwachsen. Die Zahl der Arbeitslosen lag im Jahresschnitt mit rund 2,95 Millionen um rund 53.000 Personen höher als 2012. Hauptsächlich, so Weise, weil weniger Menschen an Fördermaßnahmen teilgenommen hätten.
Unfreiwillig unterbschäftigt
Etwas aussagekräftiger als die offizielle Zahl der Arbeitslosen ist ohnehin die der Unterbeschäftigten. Zu ihnen zählen auch Personen, die vorübergehend arbeitsunfähig sind, aber eine Stelle suchen, und solche, die eine Fördermaßnahme durchlaufen. Im Schnitt waren 2013 3,9 Millionen unterbeschäftigt, 25.000 weniger als noch 2012. Als positiv wertete Weise zudem, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung 2013 erneut gewachsen ist. So stieg der Anteil solcher Beschäftigter von allen Erwerbstätigen zwischen 2012 und 2013 von 69,3 auf 70 Prozent. Langfristig sinkt der Wert jedoch. 1993 lag er noch bei knapp 76 Prozent.
Für Martin Brussig, Forscher am Institut Arbeit Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, ist die Zahl der Arbeitslosen nicht sonderlich aussagekräftig, um einen realistischen Eindruck von den Problemen am Arbeitsmarkt zu gewinnen. „Es gibt viele Menschen, die unfreiwillig Teilzeit oder unfreiwillig in einem Minijob arbeiten und in keiner Arbeitslosenstatistik auftauchen“, sagt der Forscher. Rund 1,8 Millionen Teilzeitbeschäftigte würden gerne mehr arbeiten, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, also 450-Euro-Jobs, stehen seit Jahren in der Kritik, weil sie in Altersarmut führen und wenig Aufstiegschancen bieten. Brussig sieht es zwar als positiv an, dass die neue Bundesregierung einen allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro einführen will. „Aber geringfügige Beschäftigung ist ein vielleicht ebenso großes Problem wie das der Niedriglöhne.“
Wenig Reformwillen
Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass CDU und SPD, nicht nur dort, sondern auch bei arbeitsmarktpolitischen Förderkonzepten wenig Reformbedarf sehen. Einzig ein neues Bundesprogramm für Lanzeitarbeitslose hat sich die große Koalition vorgenommen.
Wie genau das aussehen soll, darüber konnte Nahles am Dienstag noch nichts sagen. Das Problem ist groß, sagt Brussig: „Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich in den letzten Jahren verfestigt.“ So stieg die Zahl derjenigen, die länger als 12 Monate nach einer Stelle suchen, laut BA zwischen 2012 und 2013 um 20.000 auf nun insgesamt 1,05 Millionen Personen. Immer mehr von ihnen sind sogenannte Hartz-IV-Bezieher.
„Es wurde zu wenig in die Arbeitslosen investiert und zu viel arbeitsmarktpolitische Kosmetik betrieben“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer am Dienstag. Sabine Zimmermann von der Linksfraktion kritisierte, im Koalitionsvertrag fänden sich „zur Langzeitarbeitslosigkeit nur blumige, unverbindliche Ankündigungen“.
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